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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Blick auf die Ankömmlinge. Biolia erkannte er sofort. Doch das belebte ihn nicht im mindesten. Mit unendlich langsamen Bewegungen suchte er in seiner Tasche nach Notizblock und Füllhalter. Die Tinte im Füller war ausgetrocknet. Redshan legte ihn auf den Tisch und nahm einen Bleistift. Er deutete Valmosk durch ein Zeichen an, ihm zu leuchten, und schrieb folgendes nieder: »Liebe Biolia, warum bist du gekommen? Hat dich dieser verrückte Alte hergebracht? Laß dich nicht mit ihm ein! Und Sie, Valmosk, belästigen Sie mich nicht unnötigerweise! Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich Sie schon rufen. Erm Grunsoll ist zum Tode verurteilt. Genügt Ihnen das nicht? Grunsoll stirbt, und Sie werden auch sterben! Hören Sie auf mit Ihren Dummheiten! Sie haben alles, was Sie brauchen!«
    Biolia las den Zettel und brachte mit ihrer nervösen, kleinen Handschrift folgende Antwort zu Papier: »Dor, Liebster, nimm dich zusammen! Was geschehen ist, ist nicht mehr rückgängig zu machen, doch weshalb läßt du mich und Arkif im Stich? Warum soll ich Trauer tragen, wo du noch lebst? Komm mit mir, Dor! Unser Sohn wartet auf dich! Du bist sein Vater, du mußt mir helfen, Arkif zu erziehen! Raffe dich auf, Dor! Du bist doch nicht tot, du kannst Gutes tun, und das ist genug, damit du den Geschmack am Leben nicht verlierst!«
    Dieser leidenschaftliche Appell Biolias ließ Redshan kalt. Seine Antwort war kurz und kategorisch: »Ich brauche nichts, Biolia. Ich habe keine Wünsche mehr. Aber ich möchte nicht zusehen, wie du alterst und stirbst und wie unser Sohn altert und stirbt! Ich will nicht auf der Erde umherwandern wie auf einem einzigen Friedhof! Wen soll ich lieben? Alle sterben! Alle! Leb wohl, Biolia! Leben Sie wohl, Valmosk!«
    Der Professor leuchtete ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht und sagte deutlich artikuliert: »Gut, dann werden wir uns nicht mehr wiedersehen, Doriel. Entschuldigen Sie mich vor den Nachkommen, von denen Sie hier vielleicht in tausend oder zehntausend Jahren aufgefunden werden! Ich weiß jetzt, daß der Mensch die Unsterblichkeit nicht braucht. Leben Sie wohl, Doriel. Lassen Sie Ihre unsterblichen Kameraden Rongi und Flipp nicht allein. Sie werden Ihnen bestimmt viele Jahrtausende verschönen, wenn Sie von diesem Dahindämmern einst genug haben und sich aufmachen, unsere so unbeständige und doch so herrliche Welt zu durchstreifen. Für diese Zukunft wünsche ich Ihnen guten Mut und edle Absichten. Zunächst aber wünsche ich Ihnen angenehme Träume, Doriel Redshan! Angenehme Träume und erträgliche Langeweile!«
    Redshan hörte ihm aufmerksam zu, nickte dann aber nur kaum merklich. Valmosk wischte sich noch einmal den Staub von Rongi und Flipp und verabschiedete sich von ihnen mit einem bekümmerten Blick in ihre weitgeöffneten Augen, die von tiefer Gleichgültigkeit gegen alles auf der Welt erfüllt waren. Dann verließ er den Keller und führt die hysterisch schluchzende Biolia mit sich nach oben.
    Bald darauf befahl Valmosk, alle Eingänge zu dem Kellergewölbe fest zuzumauern; damit waren der Unsterblichkeitsgenerator und mit ihm Doriel Redshan, Rongi und Flipp für immer begraben.
Niemand hat auf Erden je wieder etwas von ihnen gehört.
Wiktor Zwikiewicz
Ruf auf der Milchstraße
    Er hatte seinen Blaster über die Schulter gehängt und bewegte sich im Schatten der Mauern. Mit rhythmischen, federnden Schritten ging er vorwärts, schaute sich nicht um, auch eilte sein Blick den Füßen nicht sehr weit voraus. Die schwarzglänzenden Wände vermochten nicht, durch Reflexion des scharlachroten Himmels seine Pupillen zu beleben, seine Gesichtszüge zu glätten, denen die Zeit eine Maske tödlicher Ermattung verliehen hatte.
»Bleib stehen, Rudier.«
    Mechanisch ging er noch eine Zeit weiter, immer langsamer, schließlich blieb er stehen und blickte sich um. Leere. In der windstillen Luft verengte die Straßenschlucht die Perspektive mit ihren hohen Häuserwänden ohne Fenster und Türen.
»Das ist keine Einbildung, Rudier. Du hörst uns.«
    Er stand unbeweglich da, den Finger am Abzug des Blasters und den Kolben fest gegen die Hüfte gestemmt.
»Ich wußte, daß ihr da seid«, sagte er.
Schweigen – so als würde ein Unsichtbarer den Sinn dieser Worte überdenken.
»Du wußtest, daß wir da sind?«
»Schon lange.«
Er macht einen Schritt vorwärts und starrte dabei aufmerksam in das rötliche Halbdunkel. Die glatten Mauerreihen wurden von den Kanten der einzelnen Häuserblöcke unterbrochen, auf

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