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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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haben. Gerüchten zufolge sollen einige Otarks aus der ersten Gruppe im Kriegsministerium gehalten werden, wo sie an der Lösung irgendwelcher Sonderaufgaben sitzen. Aber man benutzt ja auch »denkende Maschinen« zur Lösung diverser Sonderaufgaben. Worin besteht hier der Unterschied?
Ihm fiel ein, daß einer der Farmer zu ihm und Miller geäußert hatte, er habe vor kurzem einen fast unbehaarten Otark gesehen, worauf der Förster ihm geantwortet hatte, die Otarks bekämen in letzter Zeit immer mehr Ähnlichkeit mit den Menschen. Wenn sie nun wahrhaftig die Welt erobern? Wenn nun der Verstand ohne Güte stärker ist als der menschliche Verstand?
Aber das dauert noch eine Weile, dachte Betley. Wenn es überhaupt so weit kommt. Ich jedenfalls erlebe es nicht mehr, ich sterbe vorher.
Aber die Kinder! durchfuhr es ihn jäh. In was für einer Welt werden sie leben – in der Welt der Otarks oder in der Welt der kybernetischen Roboter, die ebenfalls inhuman sind und, wie einige behaupten, den Menschen auch an Klugheit übertreffen?
Er sah plötzlich seinen kleinen Sohn vor sich, der ihn fragte: »Papa, hör mal. Wir hier – das sind doch wir, stimmt’s? Und sie – das sind sie. Aber sie denken auch von sich, daß sie – wir sind?«
Die Kinder werden heutzutage allzu früh erwachsen, dachte Betley. Mit sieben Jahren habe ich nicht solche Fragen gestellt.
Hinter ihm knackte ein Zweig. Der Junge verschwand aus seiner Vorstellung.
Betley sah sich beunruhigt um und lauscht. Nein, alles in Ordnung.
Eine Fledermaus hatte im Schrägflug vibrierend die Lichtung überquert.
Betley richtete sich auf. Der Förster verheimlicht etwas vor mir, dachte er. Er hat mir zum Beispiel noch nicht gesagt, wer der Reiter war, der uns am ersten Tag auf der verlassenen Straße überholt hat.
Er lehnte sich wieder rücklings an die Wand des Häuschens. Erneut tauchte sein Sohn vor ihm auf, wieder mit einer Frage.
»Papa, wo kommt das alles her? Die Bäume, die Häuser, die Luft, die Menschen?«
Er begann dem Jungen die Evolution des Weltalls zu erklären, dann spürte er plötzlich einen heftigen Stich im Herzen, und er wurde sich wieder der Wirklichkeit bewußt.
Der Mond war untergegangen. Es tagte schon ein wenig.
Die Pferde standen nicht mehr auf der Lichtung. Richtiger, eines war verschwunden, und das andere lag im Gras, drei graue Schatten umwimmelten es. Der eine Schatten richtete sich auf, und der Journalist erblickte einen großen Otark mit schwerem, massigem Kopf, gefletschtem Rachen und riesigen, im Halbdämmer blitzenden Augen.
Dann war irgendwo ganz nahe Geflüster zu hören: »Er schläft.«
»Nein, er ist schon aufgewacht.«
»Geh zu ihm hin.«
»Dann schießt er.«
»Wenn er das könnte, hätte er es längst getan. Entweder schläft er oder ist vor Angst erstarrt. Geh zu ihm hin.«
»Geh selber.«
Der Journalist war wirklich vor Angst wie gelähmt. Es war wie im Traum. Er begriff, daß ein Unglück heraufgezogen war, doch er konnte keine Hand, keinen Fuß rühren.
Wieder ein Flüstern: »Aber der andere, der schießt.«
»Er ist krank. Er wird nicht aufwachen… Also los, geh jetzt, hörst du!«
Angestrengt schielte Betley zur Seite. Hinter der Hausecke hervor kam ein Otark. Er war allerdings klein, einem Schwein ähnlich.
Der Journalist riß sich aus seiner Erstarrung und drückte auf den Abzug. Zwei Schüsse krachten hintereinander, zwei Kartätschen peitschten in den Himmel.
Betley sprang auf, das Gewehr fiel ihm aus den Händen. Er stürzte zur Haustür, schlug sie zitternd hinter sich zu und drückte die Klinke hoch.
Der Förster stand und hielt das Gewehr schußbereit. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er sprach, und der Journalist erahnte die Frage mehr, als daß er sie hörte: »Die Pferde?«
Betley nickte.
Vor der Tür waren Geräusche zu hören. Die Otarks stemmten irgend etwas von draußen dagegen.
Eine Stimme ertönte: »He, Miller! He!«
Der Förster lief zu dem kleinen Fenster und steckte das Gewehr hinaus. Im Nu war eine schwarze Pfote vor dem hell werdenden Himmel zu sehen; er konnte die Doppelbüchse gerade noch rechtzeitig zurückziehen.
Draußen wurde zufrieden gelacht.
Die langgezogene Grammophonstimme sagte: »Jetzt ist es aus mit dir, Miller.«
Andere Stimmen mischten sich ein.
»He, Miller, red mit uns…«
»He, Förster, sag was Bedeutendes, du bist schließlich ein Mensch, hast klug zu sein…«
»Miller, sprich dich aus, ich werde dich dann widerlegen…« »Unterhalt dich mit uns, Miller. Nenn mich

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