Die Rekonstruktion des Menschen
der
schlechtbezahlten Stelle gelegen war. »Sie führen doch nicht
etwa hier Ihre Versuche durch?«
»Sie wollte. Sie kam zu mir und beklagte sich. Schauen Sie,
sie sollte schon das vierte Kind bekommen, und bisher waren
es Mädchen. Bei ihr zu Hause laufen drei Mädchen herum, der
Ehemann ist wütend, er möchte einen Erben, sie haben es das
letztemal versucht, sonst läßt er sich vielleicht von ihr scheiden. Er hat sie so gequält, daß sie sogar schon bei der Kräuterfrau war, in die Kirche geht sie jeden Morgen, sie hat auch eine
Wallfahrt auf den heiligen Berg unternommen, sie hat in meinen Armen geweint, sie dachte nämlich, ich wäre der Doktor.
Und da hab’ ich es ihr versprochen. Ich hab’ ihr mein Mittel
gegeben… Bei uns im Kreißsaal sind nur zwei Ärztinnen, und
so kommen die Leute immer zu mir, weil sie glauben, ich sei
zumindest der Oberarzt. Manchmal bringen sie mir sogar
Geschenke für eine gelungene Entbindung und lassen sich
nicht überzeugen, daß sie an der falschen Adresse sind.« »Mensch, Sie sind verrückt…«
»Aber ich glaube fest, ich sei schon draufgekommen…« »Das Geschlecht der ungeborenen Kinder zu bestimmen?« »Das ist das wenigste, das Geschlecht. Auch die Eigenschaften und das Aussehen, alles. Das Schicksal. Ich beschäftige mich nicht umsonst über zwanzig Jahre damit. Aber mir scheint, ich bin noch nicht am Ziel… begreifen Sie vielleicht, warum ich von Ihrem Alkohol was abgezweigt habe…« Ich nickte. Und ich goß ihm noch etwas ein. Mir auch. Ich ahnte Unannehmlichkeiten. Und nicht wegen des Alkohols.
Der Skandal
Gleich am nächsten Tag kam nachmittags die Frau. Geradeso hatte ich sie mir vorgestellt. Eine Bauersfrau vom Herd, die aus Ostböhmen hierhergezogen war. Sie sah schlecht aus, aber sie war ganz zufrieden.
»Es hat mir geholfen«, sagte sie, nachdem ich ihr zunächst versichert hatte, daß Stein erst in zwei Stunden kommen würde. »Ich kann nicht warten, richten Sie ihm aus, daß es mir geholfen hat…«
»Verzeihen Sie«, fragte ich, »Sie waren doch erst am Beginn des dritten Monats…« .
»Bin ich nicht mehr. Und fast schmerzlos. Es waren hervorragende Tabletten. Haben Sie nicht noch welche? Wissen Sie, für die Nachbarin…«
»Für die Nachbarin? Glauben Sie etwa, wir machen hier Abtreibungen?«
»Ich kann mich nicht beklagen, mir hat es geholfen.«
»Aber Sie wollten doch einen Jungen.«
»Das stimmt. Aber lieber nichts als ein Mädchen. Und jeder weiß, daß ein Junge nicht sicher ist. Und deshalb bin ich eigentlich froh, daß nichts wird. Mein Mann auch, jetzt kauft er sich wenigstens ein Motorrad…« Sie war glücklich, nur ein bißchen blaß. Ich beschwor sie, niemandem etwas zu sagen. Sie käme ins Unglück und wir dazu. An solche Unannehmlichkeiten hatte ich nicht gedacht.
»Glauben Sie denn, ich bin von gestern? Ich möchte nur einen Umschlag für den Herrn Doktor hierlassen…« Ich lehnte natürlich ab. »Woher denn, ich will nichts umsonst, ich weiß, wieviel Medikamente heutzutage kosten, und Spritzen sind doch noch teurer…« Ich versicherte ihr, daß alles ein Irrtum sei, daß ich um keinen Preis das Geld nehmen würde. Schließlich hinterlegte sie den Umschlag für Stein beim Pförtner. Er bekam ihn, als er zurückkam. Wir saßen bedrückt zusammen im Labor. Es waren zwar nur ein paar Hunderter, aber wen hätten wir überzeugen können, daß wir keine Bezahlung für eine kriminelle Abtreibung erhalten hatten?
»Vielleicht verläuft alles im Sand. Aber bieten Sie um Gottes willen niemandem mehr Hilfe bei der Schwangerschaft an. Und wer weiß, ob Sie das nicht überhaupt lassen sollten.«
»Jetzt? Wo ich vor dem Ziel bin?«
»Wie wär’s denn mit Meerschweinchen…«
»Singen Meerschweinchen etwa Arien? Haben sie griechische Züge, rabenschwarze Haare und lange, schlanke Beine?« Erst jetzt hatte er mir eigentlich gesagt, worauf er sich vorbereitete, was er sichern wollte. Offenbar sollte seine Tochter ihrer Großmutter ähneln. Er wollte die eigenen Nachkommen manipulieren.
»Aber das ist auch ohne Medizin wahrscheinlich. Die Kinder kommen gewöhnlich nach den Großeltern…«
»Manchmal. Ich will mich nicht auf den Zufall verlassen.«
»Aber dann wird Ihr Versuch nicht beweiskräftig. Jeder wird sagen, daß das Zufall war, daß Ihr Kind sowieso der berühmten D-ová ähnlich gesehen hätte.«
»Darum machen Sie sich keine Sorgen. Das beweise ich mir selbst. Hauptsache, meine Arbeit gelingt…«
Ich wußte, ich gab mir umsonst
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