Die Rekonstruktion des Menschen
Versuche und Forschungen hatte ich es geschafft. Die Methode erwies sich als unwahrscheinlich simpel, wie die meisten genialen Erfindungen es sind, und nur darum ist es mir gelungen, sie nachzuvollziehen. Ich konstruierte eine primitive Abspielvorrichtung und legte mit vor Erregung zitternden Händen das geheimnisvolle Rädchen ein. Dann schaltete ich den Verstärker und den Minimotor ein. Vorsichtig näherte ich die Abtastsonde dem rotierenden Rädchen. Der Lautsprecher krächzte laut auf, und dann erklang in tiefem, langgezogenem Baß: »Wuundeere diich niicht…«
Ich erhöhte die Drehzahl und erkannte zu meinem großen Erstaunen meine eigene Stimme, die jetzt in normaler Geschwindigkeit und in ihrer normalen Höhenlage erklang.
Wundere dich nicht, Vedi, daß du deine eigene Stimme hörst. Ja, du selbst sprichst zu dir – oder ich zu mir, das ist ja ein und dasselbe: ›Ich‹ bin ›du‹ und ›du‹ bist ›ich‹. Stellen wir das ein für allemal fest, damit alles seine Ordnung hat und die Verständigung besser klappt. Ich bin du, obwohl du nicht ich gewesen bist… Du wirst alles selbst verstehen, wenn du die Geduld aufbringst, bis zum Ende zuzuhören. Ich werde der Reihe nach berichten. Erinnerst du dich… Puh! Erinnere ich mich, oder erinnerst du dich? Erinnern wir uns? Nein, zum Teufel, schließlich sind wir ja nicht zwei Personen! Was soll’s, Schluß mit der Grammatik…
Erinnerst du dich, wie Ardis dich dort im Kosmed eingeschläfert hat? Wahrscheinlich erinnerst du dich. Und dann bist du erwacht. Das, was ich erzählen werde, hat eben gerade in der Zeit zwischen Einschlafen und Erwachen stattgefunden. Nachdem du eingeschlafen warst, erwachte ›ich‹, das heißt ›du‹, nur daß du dich nicht daran erinnern kannst.
Ich erwachte und war überzeugt davon, daß die Untersuchungen schon beendet seien. Ardis klärte mich über diesen Irrtum auf.
»Nein, nein«, sagte er beruhigend, als er sah, daß ich ihn nach dem Ergebnis fragen wollte, »das ist noch nicht alles!«
Ich schaute auf die Uhr. Seit ich mich auf den Tisch gelegt hatte, waren erst vier Minuten vergangen. Da ich nicht verstand, worum es eigentlich ging, führte ich mechanisch Ardis’ Anweisungen aus. Er befahl mir, eigenartig aussehende Sandalen mit Schaumgummisohlen anzuziehen, und führte mich hinter den Vorhang zu einer kleinen Tür, die, wie sich herausstellte, die Tür eines Fahrstuhls war. Wir fuhren abwärts.
Im Halbdunkel der Halle, in der wir ankamen, konnte ich nach einiger Zeit die längliche Gestalt einer Stratosphärenrakete erkennen. Die Einstiegsluke war geöffnet.
Ardis half mir, die Sicherheitsgurte anzulegen, und schloß die Luke hinter mir. Ich befand mich in absoluter Dunkelheit, allein in einer engen Kabine. Etwas später spürte ich, wie die Rakete sich langsam aus der Flughalle bewegte, einen Moment auf der Abschußrampe manövrierte und dann in Bewegungslosigkeit erstarrte. Gleichzeitig leuchtete vor mir in roten Buchstaben die Aufschrift A CHTUNG ! S TART ! auf.
Ich fühlte die wachsende Beschleunigung. Die Aufschrift erlosch, und ich war wieder von Dunkelheit eingehüllt. Der Überdruck ließ langsam nach, ich flog mit gleichmäßiger Geschwindigkeit.
Ich begann darüber nachzudenken, was das eigentlich alles zu bedeuten habe. Wozu war ich eingeschläfert worden? Mir fiel die »Kappe« wieder ein, die immer noch auf meinem Kopf saß. Ob Ardis vergessen hatte, sie mir abzunehmen? Ich versuchte die Schnelle aufzumachen, es gelang mir jedoch nicht. Augenscheinlich durfte der Helm nicht abgenommen werden.
Nach einigen Flugminuten kündete eine neue rote Aufschrift die Landung an. Ich fühlte, wie die Rakete langsam und sanft auf der Landebahn aufsetzte. Wieder folgten ein Moment der Unbeweglichkeit, dann leichte Erschütterungen. Die Einstiegsluke wurde geöffnet, und vor ihrem Hintergrund sah ich die Umrisse eines großen Mannes. Der Raum, in dem sich die Rakete jetzt befand, war der Flughalle, von der aus ich gestartet war, zum Verwechseln ähnlich. Aber der Mann, der mich erwartete, war nicht Ardis.
»Ich heiße Mett«, sagte der Unbekannte und führte mich durch einen schmalen Gang, der von Leuchtstoffröhren nur spärlich beleuchtet wurde. Im Halbdunkel konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, ich stellte nur fest, daß er sehr gebeugt ging und vielleicht vierzig Jahre alt sein konnte.
Mett stieß eine der vielen weißen Türen auf, und wir betraten ein Zimmer, das mit eigenartigen Apparaturen vollgestopft
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