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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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aufgetaucht, er war im Schulungszentrum für Raumpiloten geblieben.
Alle anderen hatten sich nach Erhalt eines solchen Schreibens, wie ich es gerade in den Händen hielt, am festgelegten Ort und zur festgelegten Zeit im Untersuchungszentrum eingefunden, waren aber nach drei, manchmal vier Tagen verbittert und enttäuscht zurückgekommen und hatten alle die gleiche, sehr unklare Geschichte erzählt: »Sie legen dich auf einen Tisch, geben dir eine Elektronarkose, und du schläfst ein. Dann wachst du wieder auf und hast das Gefühl, du hättest nur wenige Minuten genickt. Sie aber sagen dir, die Probe sei beendet, es täte ihnen sehr leid, aber… und so weiter. Der Delinquent schaut auf das Elektrochronometer und stellt fest, daß drei ganze Tage vergangen sind.«
Wenn ich doch wenigstens eine Ahnung hätte, welche Kriterien bei dieser Probe entscheidend sind! Weiß der Teufel, was sie mit einem machen in den drei Tagen. Vielleicht wühlen sie in den toten Winkeln des Gehirns herum, holen irgendwelche Informationen aus einem heraus, suchen irgendwelche bestimmten psychischen Eigenschaften? Vielleicht untersuchen sie das Erinnerungsvermögen, den Intelligenzquotienten des Kandidaten. Ich habe von neuen Versuchen gehört, ein universales Cephaloskop zu bauen, aber das waren hur die ersten Schritte in dieser Richtung…
Jetzt, da ich die Aufforderung vor mir hatte, beschlichen mich Zweifel und Ängste. Das allerschlimmste und entnervendste bei der ganzen Sache ist, dachte ich, daß ich in keiner Weise Einfluß auf die Entscheidung in meiner Angelegenheit nehmen kann. Das alles findet auf so geheimnisvolle Weise statt, daß man keine Möglichkeit hat, aktiv seine Qualifikationen zu beweisen. Daher ist es am besten, man läßt den Dingen ihren Lauf.
Ich versuchte mich zu trösten, indem ich mir einredete, daß es ja schließlich noch so viele interessante Betätigungsfelder hier in unserem Sonnensystem gäbe. Wozu sollte ich mich zu den Sternen drängen, wenn vielleicht andere sich viel besser für solche Flüge eigneten. Dann unterdrückte ich solche Gedanken jedoch, denn ich war fest davon überzeugt, daß sie nur meiner Feigheit und dem fehlenden Selbstvertrauen entsprangen…
    Die Gebäude von Kosmed standen am äußersten Rand der Stadt. An der vorletzten Haltestelle des Elektrobusses, direkt vor dem Tor des Instituts, stieg ich aus. Langsam und mit klopfendem Herzen ging ich die Parkallee entlang, die von alten Kastanienbäumen gesäumt wurde. Die Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Blätterdach über mir und malten helle, runde Flecke auf den Schotter der Allee. Alle paar Schritte blieb ich stehen, um tief durchzuatmen und dadurch meine immer schneller fliegenden Pulse zu beruhigen. Vor mir, hinter hohen Hecken, leuchteten die Pavillons des Instituts. Rechts hinter ihnen lagen die Startbahn und die Abschußrampen für Stratosphärenraketen.
    Am Ende der Allee erstreckte sich eine große, runde Rasenfläche, an deren Rand mehrere Fahrzeuge parkten: drei oder vier große Gyrobusse, zwei Miniopter und ein gewaltiger Heliocar – ein Fahrzeug, wie es in den Wüsten Afrikas eingesetzt wird. Der vierte Pavillon stand mit der Rückfront zur Startbahn, dahinter mußten die Flughallen sein. Das Gebäude war mehr als ein Dutzend Stockwerke hoch und wurde dennoch weit überragt vom Turm der Raketenabschußrampe.
    Ich holte noch einmal tief Luft und setzte die Drehtür des Eingangs in Bewegung. Die Halle war leer, nur der automatische Portier fragte mich höflich nach meinen Wünschen. Ich zeigte ihm meine Vorladung und wurde von ihm informiert, daß ich mich im sechzehnten Stock, Zimmer 212 zu melden hätte. Lautlos schloß sich die Fahrstuhltür hinter mir, und wenig später stand ich schon in einem Gang, den seine fluoreszierenden Wände in ein angenehmes, orangefarbenes Licht tauchten.
    Ich blickte auf die Uhr, sie zeigte 12.27 Uhr. Da ich gern superpünktlich bin, wartete ich noch einen Moment, ehe ich das Zimmer 212 zu suchen begann. Während ich den Korridor durchquerte, schaute ich mechanisch noch einmal zur Uhr, und plötzlich kam mir in den Sinn, daß, wenn ich nach der »Probe« erwachen würde, meine Uhr stehengeblieben sein würde. Sie unterscheidet sich nämlich von den heutzutage gebräuchlichen Elektrochronometern dadurch, daß sie nicht von einer Mikrobatterie gespeist, sondern von einer sogenannten Feder in Bewegung gehalten wird. Um sie am Gehen zu halten, muß man täglich einen Eingriff vornehmen, der

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