Die Rekonstruktion des Menschen
Wiedersehen.« Er sah mich an und lächelte auf seine eigenwillige Art.
Draußen schien die Sonne noch genauso wie in dem Moment, als ich hier eingetreten war. Mechanisch schaute ich auf die Uhr und blieb wie angewurzelt stehen. Sie zeigte 11.05 Uhr an und die Ziffern in dem kleinen Fensterchen den Einundzwanzigsten. Der Sekundenzeiger zog gleichmäßig seine Bahn.
Was hatte das zu bedeuten? Wer hatte die Uhr in den drei Tagen aufgezogen? Ardis? Wie sollte er auf die Idee gekommen sein, daß meine Uhr aufgezogen werden muß? Das war ganz unwahrscheinlich!
Die allerschlimmsten Vermutungen wirbelten in meinem Kopf, und ich rannte auf den gerade ankommenden Elektrobus zu.
Es gab nur eine Möglichkeit: Dieser Schuft von einem Mechaniker war nicht mit dem antiken Mechanismus fertig geworden und hatte im Inneren der Uhr einen einfachen Batteriemechanismus eingebaut; das Rädchen zum Aufziehen der Uhr hatte er nur an seinem Platz gelassen, um den Schein zu wahren! Das hatte mir gerade noch gefehlt!
Unter anderen Bedingungen hätte ich mir das vielleicht nicht so zu Herzen genommen, aber heute, da ich ohnehin schon Sorgen im Kopf hatte, konnte dieses zweite Mißgeschick, zu einem Problem hochgespielt, mich meinen Kummer wenigstens für einen Moment vergessen lassen. Eine ganz normale Schutzreaktion des Unterbewußtseins…
Ich sauste wie ein ballistisches Geschoß in meine Wohnung, die Schubladen, in denen ich Werkzeug aufbewahre, kippte ich in der Eile auf den Fußboden. Dann ergriff ich den ersten besten spitzen Gegenstand und versuchte damit, den Boden der Uhr zu lösen. Die Klappe gab nicht nach, die Spitze des Werkzeuges rutschte ab, und fast hätte ich sie mir in die Hand gestochen. Endlich sprang der Deckel zurück. Aus dem Inneren der Uhr fiel ein kleiner runder Gegenstand, der in Form und Größe an eine kleine Münze erinnerte, aber ich starrte nur den Mechanismus an. Da war er! Alles befand sich an seinem Platz. Die Unruhe bewegte sich gleichmäßig. Gewissenhaft schloß ich die Uhr wieder und befestigte sie an meinem linken Handgelenk.
Erst jetzt bemerkte ich den runden opalisierenden Gegenstand am Rand meines Schreibtisches, er war dünn, fast durchsichtig, so als sei er aus einer Kristallplatte herausgeschnitten worden.
Das war sicher kein Teil meiner Uhr. Ich betrachtete das eigenartige perlmuttfarbene Ding durch die Lupe und beleuchtete es von den verschiedensten Seiten.
Was war das, zum Teufel? Schließlich ist eine Uhr, selbst eine so archaische, keine Muschel und produziert keine Perlen unter ihrem Deckel!
Plötzlich schien mir, als sähe ich die Umrisse von Buchstaben, wie mit der Spitze einer Stecknadel eingeritzt, die in rosafarbene Tinte getaucht worden war. Es gelang mir, sie zu entziffern: Magnetmolekulare Spiralaufzeichnung. Na bitte! Spiralförmige Aufzeichnung! Wenn ich gewußt hätte, was das eigentlich ist, dann wäre ich sehr zufrieden mit mir gewesen. Wenn das aber wirklich eine Aufzeichnung war, dann würde man sie wahrscheinlich abspielen können, ich mußte es einfach tun. Besonders deshalb, weil diese Aufzeichnung augenscheinlich in meine Uhr gelangt war, während ich im Kosmed geschlafen hatte. Eine Aufzeichnung… Was konnte das für eine Aufzeichnung sein? Vielleicht eine akustische?
Das Glück kam mir zu Hilfe, und fast ohne Schwierigkeiten fand ich einen Mikrofilm der »Physikalischen Nachrichten« von vor zwei Jahren. Ein gewisser Fobe beschrieb darin seine Entdeckung auf dem Gebiet der Tonaufzeichnungen, und zwar eine Aufzeichnung auf Kristallplättchen. Die Notiz war kurz und betraf eigentlich mehr die Theorie als die praktischen Lösungen und Verwendungsmöglichkeiten. Der Autor brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, daß seine Entdeckung die Methoden der Tonaufzeichnungen revolutionieren würde.
Hier endete die Spur und tauchte auch in den folgenden Nummern der Zeitschrift nicht wieder auf. Bis heute ist nirgends auch nur eine Notiz zum Thema der magnetmolekularen Aufzeichnungen erschienen.
Ich stand vor der schwierigen Aufgabe, die Aufzeichnung auf der Grundlage der sehr spärlichen Informationen, die in der Notiz Fobes enthalten waren, hörbar zu machen. Nie zuvor hatte ich so ausdauernd an einem wissenschaftlichen Problem gearbeitet. Wenn ich bisher eine sehr blasse Vorstellung von der Elektroakustik gehabt hatte – mein Spezialgebiet sind Analogmaschinen –, dann bin ich jetzt auf diesem Gebiet ein Spezialist, der es mit allen aufnehmen könnte.
Nach zwei Wochen voller
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