Die Rekonstruktion des Menschen
alle mit hervorragendem, athletischem Körperbau. Sie sahen unwahrscheinlich erschöpft aus.
»Wer ist das?« fragte ich und senkte automatisch die Stimme. »Wo befinden sie sich?«
»Sie sind auf dem Weg in das Sternensystem des Prokyon«, antwortete Mett und sah mich von der Seite an. »Ein Meteor hat den Panzer ihres Raumschiffes durchschlagen. Der Druck ist gewaltig gesunken, zur Zeit beträgt er ungefähr ein Fünftel des normalen atmosphärischen Drucks.«
Ich starrte ihn überrascht an. Machte er sich über mich lustig? Soviel ich wußte, war von der Erde aus überhaupt noch keine interstellare Expedition gestartet! Als er meine Überraschung sah, fügte er hinzu: »Hab keine Angst, gleich wird es ihnen gelingen, das Leck zu flicken, und in einer halben Stunde hat sich der Druck wieder ausgeglichen.«
»Wie denn? Sie sind also wirklich…?«
»Nicht ganz. Jedenfalls sind sie davon überzeugt, daß es Wirklichkeit ist.«
»Dann ist das eine Art Training? Eine angenommene Situation, dieses Fünftel atmosphärischen Drucks?«
»Der Druck ist das einzige, was wirklich authentisch ist.«
Ich verstand gar nichts mehr. Machte er mir etwas vor? Scherzte er? Im Blickfeld des Bildschirmes tauchten noch zwei Personen auf. Mit schwankenden Knien gingen sie zu ihren Sesseln und fielen kraftlos darauf nieder. Die anderen wandten ihnen fragend ihre Gesichter zu. Einer der Ankömmlinge nickte. Der andere versuchte mit einem Tuch das Blut zu stillen, das ihm aus der Nase floß.
»Ich glaube, sie haben etwas zuviel gekriegt…«, murmelte Mett und drehte an einem weiteren Knopf.
Auf dem Schirm erschien ein anderes Bild: Mehrere bärtige, schweißtriefende Männer quälten sich mit einer Reihe von Hebeln und Griffen herum. Ihre Bewegungen waren nervös, fast verzweifelt, so als würden sie mit einer tödlichen Gefahr kämpfen.
»Sie sind auf dem Weg zur Proxima Centauri in einen Gasnebel geraten«, erklärte Mett mit dem Tonfall eines Führers durch eine Gemäldegalerie. »Die Reibung hat das Schiff erhitzt, und jetzt herrscht dort eine Temperatur von ungefähr vierhundert Kelvin. Zu allem Unglück funktioniert die Klimaanlage nicht, und sie versuchen gerade, sie wieder in Gang zu bringen. Es wird ihnen gelingen, aber erst«, er blickte auf seine Uhr, »erst in elf Minuten.«
Mett schaltete den Bildschirm ab, ich blickte ihn betroffen an und wartete auf eine Erklärung. Da er jedoch keinerlei Anstalten machte, etwas zu sagen, fragte ich ungeduldig: »Vielleicht erklärst du mir endlich, was das zu bedeuten hat? Waren das nur Instruktionsfilme, oder sollte das eine Zerreißprobe für meine Nerven sein?«
»Im gewissen Sinne das eine wie das andere. Aber vor allem waren es Ereignisse, die in dem Moment, in dem du sie gesehen hast, stattgefunden haben.«
»In kosmischen Raketen? Lichtjahre von hier entfernt?« »Nein, hier, man könnte sagen, hinter dieser Wand.«
»Es ist doch unmöglich, daß ein Mensch es unter solchen Bedingungen aushalten kann! Ich kann es nicht glauben, daß jemand sich ohne zwingende Notwendigkeit solchen Torturen aussetzt!«
»Ich stimme vollkommen mit dir überein. Ein gewöhnlicher Mensch würde in einer solchen Lage sicherlich seinen Geist aushauchen…«
»Willst du sagen, daß das Training, die stufenweise Umgewöhnung des Organismus…«
Mett winkte ungeduldig ab. »Nein, darum geht es doch gar nicht, auf diesem Weg kann man nicht einmal fünf Prozent des Widerstandsfaktors erreichen, den sie aufweisen.«
Verwirrt schwieg er eine Weile. Mit gedämpfter Stimme, fast zögernd, sprach Mett weiter: »Die Leute, die du gesehen hast, haben sich genau wie du freiwillig gemeldet, manche haben uns sogar sehr darum gebeten, sie aufzunehmen. Sie waren zu allen Mühen und Gefahren bereit. Es ist die Aufgabe unseres Instituts, Besatzungen für interstellare Expeditionen vorzubereiten, die vielleicht schon bald von der Erde aus gestartet werden. Eine solche Expedition, die Dutzende, manchmal Hunderte von Erdenjahren dauert, bedeutet für die Teilnehmer, selbst wenn man die relativistische Zeitdilatation berücksichtigt, im besten Fall zwanzig Jahre Flugdauer. Eine solch lange Zeit, voller Spannungen, Gefahren und harter Arbeit, fordert von der Besatzung eine ungewöhnliche psychische und physische Härte. Darum haben wir eine spezielle Methode zur Vorbereitung des Organismus darauf entwickelt.«
Er schwieg einen Moment und fuhr dann mit feierlicher Stimme, in der etwas Pathos mitschwang, fort: »Die Menschen, die
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