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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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der nie sterben wird. Er ist der einzige Erdenmensch, der Sonne und Milchstraße, ja sogar den Herrgott selbst überleben wird!«
»Was hat das gekostet?«
»Mich hat es ein Stückchen Käse gekostet!«
Vistorm machte große Augen und entfernte sich rasch.
13
    Als die Gäste gegangen waren und die Dienstboten schnell noch die Säle aufgeräumt und sich dann zur Ruhe begeben hatten, suchte Valmosk den unterirdischen Teil des Hauses auf, jenen Raum, den er unlängst noch selbst bewohnt hatte und in dem nunmehr Redshan, Rongi und Flipp hausten. Die Renovierung des Hauses hatte sich auf die tiefgelegenen Keller nicht erstreckt. Hier war alles so verwahrlost wie früher.
    Redshan saß auf dem Diwan und hatte das Gesicht mit den Händen bedeckt, Rongi lag auf seinem Platz und starrt auf den staubigen Leuchter; Flipp hatte sich nach alter Gewohnheit in der dunklen Ecke hinter einem Haufen Lumpen versteckt.
    Valmosk trat ein und warf die Tür hinter sich zu. Der Leuchter wackelte kaum merklich. Rongi wandte den Kopf und blickte den Hausherrn an. Redshan rührte sich nicht. Er hatte noch immer den Abendanzug an, in dem er sich vor kurzem Valmosks Gäste angeschaut hatte. Achtlos versetzte der Professor dem Hund einen Fußtritt, griff Redshan bei den Haaren und bog ihm mit einer raschen Bewegung den Kopf zurück.
    Redshan sah Valmosk ruhig an und gab durch ein leichtes Nicken zu verstehen, daß er sein Kommen zur Kenntnis genommen hatte.
    Da sagte Valmosk und bewegte dabei deutlich die Lippen: »Doriel, hören Sie mich aufmerksam an! Sie haben zwei Monate auf dem Grunde des Ozeans zugebracht, drei Monate im Innern der Erde und haben in dieser Zeit märchenhafte Schätze zutage gefördert. Sie haben mir hundertmal mehr gegeben, als ich in den Unsterblichkeitsgenerator investiert habe. Was beabsichtigen Sie nun weiter zu tun?«
    Der Unsterbliche verfolgte aufmerksam die Lippenbewegungen des Alten und verstand jedes Wort. Er holte einen Notizblock mit Goldschnitt sowie einen kostbaren Füllhalter aus der Tasche und schrieb auf ein sauberes Blatt: »Ich weiß nicht, Valmosk, was ich tun soll. Ihnen habe ich alles hundertfältig vergolten, und meine Familie ist versorgt. Meine Frau und mein Sohn wohnen in einer eigenen Villa und verfügen über sehr gut laufende Einkünfte aus dem Kapital, das ich für sie auf einer Bank eingezahlt habe. Ich hatte Feinde, die ich haßte und die ich zu vernichten trachtete. Das könnte ich jetzt tun, doch nun habe ich keine Lust mehr, mich mit Feinden abzugeben. Ich kann alles erreichen, Valmosk, aber ich benötige nichts! Als ich auf dem Grund des Ozeans war, gefiel es mir dort, und ich glaubte dort viele Jahrtausende zubringen zu können. Und im Schoße der Erde, in diesem wunderbaren Brodeln feuriger Lava, kämen mir sogar Millionen Jahre erträglich vor. Jetzt aber erscheint mir alles eintönig und sinnlos.«
    Valmosk entgegnete: »Gleichgültigkeit ist die einzige Krankheit, von der ein Unsterblicher heimgesucht werden kann. Vertreiben Sie sie, Doriel! Es gibt unendlich viele Zerstreuungen für Sie. Sie können sämtliche Bücher lesen, die jemals von Menschenhand geschrieben wurden, Sie haben genügend Zeit dazu! Sie können sich alle Kulturdenkmäler der Welt ansehen und sie sogar zu Ihrem Eigentum machen! Mehr noch, Sie könnten selbst Schriftsteller, Maler oder Bildhauer werden – Sie haben genügend Zeit, um alle Talente in sich zu entwikkeln! Oder nehmen Sie sich die Wissenschaften vor, und werden Sie der gelehrteste und weiseste aller Menschen! Wenn Sie Ehren, Ruhm und unbegrenzte Macht begehren, so ist Ihnen auch das alles zugänglich. In zwei- bis dreihundert Jahren können Sie sich zum ewigen Herrscher der Erde aufschwingen. Mit einem Wort, tun Sie, was Sie wollen! Nur überlassen Sie sich nicht der Melancholie, der Gleichgültigkeit und der Langeweile!«
Redshan schrieb: »Was soll mir das alles, Valmosk? Ich fühle, wie meine Wünsche erlöschen. Die Menschen interessieren mich nicht mehr, und ihre Sorgen sind mir fremd geworden. So sitze ich da und sinne: Wer bin ich? Lebe ich, oder bin ich tot? Vielleicht hat Biolia recht, wenn sie mich für ein Gespenst hält? Schließlich ist doch nur derjenige lebendig, der von seiner Geburt an auf den Tod zugeht und danach trachtet, in dieser kurzen Zeitspanne soviel wie möglich zu tun. Ich bin geboren, werde aber niemals sterben; ich brauche mich nicht zu beeilen! Folglich lebe ich im Grunde gar nicht! Nur Tote verharren in einem absoluten

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