Die Rekonstruktion des Menschen
Frühjahr begann die Generalüberholung, und mitten im heißesten Sommer wurden die Gerüste entfernt, und das Haus erstrahlte in neuem Glanz wie ein Märchenpalast. Der alte Valmosk hatte sich während der Bauarbeiten im besten Hotel der Stadt einquartiert und feierte nun seinen Einzug in das renovierte Haus. Zu dem Mittagessen, das er aus diesem Anlaß gab, waren viele bekannte Bürger und Würdenträger der Stadt erschienen, unter ihnen auch Erm Grunsoll der Fünfte, der reichste Mann der Welt.
Ein Heer ausgesuchter Lakaien servierte auf silbernem und goldenem Geschirr hervorragend zubereitete Speisen. In Kristallpokalen funkelten kostbare Weine.
Professor Valmosk war nicht wiederzuerkennen. Er hatte sich nicht minder verwandelt als das Haus: Sein Gesicht war glatt und strahlte vor Zufriedenheit; sein Haar war nach der letzten Mode geschnitten, er war tadellos rasiert und hatte sich mit den exquisitesten Parfüms besprüht; der schwarze Frack und das schneeweiße Vorhemd verliehen ihm ein elegantes und vornehmes Aussehen; an seinen Fingern trug er gleißende Brillantringe.
Valmosk eröffnete das Bankett mit einer kurzen Rede voll rätselhafter Anspielungen. Er sprach von der göttlichen Vorsehung, die ihm geholfen hätte, aus der Strähne von Mißerfolgen herauszukommen und in die gute Gesellschaft zurückzukehren, in der er früher keineswegs den letzten Platz eingenommen hätte. Er erinnerte sich an seine Freundschaft mit Erm Grunsoll dem Dritten und sprach in dem Zusammenhang einen geheimnisvollen Satz aus, wonach er dem Hause Grunsoll die alte Ehrenschuld verzieh, die sich einschließlich Zinsen heute auf eine Summe von siebenhundert Millionen Surem belaufe. Die Gäste staunten, Erm Grunsoll der Fünfte aber, der rechts vom Hausherrn auf dem Ehrenplatz saß, lachte Verächtlich, beugte sich zu seiner Nachbarin hinüber, der Baronesse Milguas, und sagte laut: »Unser liebenswürdiger Hausherr ist, wie es scheint, ganz ausgelassen vor Freude. Von der Vergangenheit hat er nur noch recht nebelhafte Vorstellungen!«
Die Baronesse kicherte, Valmosk aber errötete und verhaspelte sich am Schluß seiner Rede.
Während Dessert und Kaffee im Blauen Salon und im Rauchzimmer gereicht wurden, erörterten die Gäste, die sich in einzelnen Gruppen zusammengefunden hatten, was wohl mit der erlassenen Schuld von siebenhundert Millionen gemeint gewesen sei und was die Bemerkung Erm Grunsolls des Fünften bedeutete. Die größte Gruppe versammelte sich um den uralten Vistorm, der vor einem halben Jahrhundert Bürgermeister der Stadt gewesen war. Der rüstige Neunzehnjährige schwadronierte laut über den erfolglosen Handel mit der Unsterblichkeit, durch den Valmosk einst ruiniert worden sei.
»Ich wette zehn Millionen gegen eine, daß es Valmosk doch noch gelungen ist, seine idiotische Unsterblichkeit irgendeinem vertrauensseligen ausländischen Einfaltspinsel aufzuschwatzen!« krähte Vistorm mit seiner feuchten Aussprache.
Unsterblichkeit, Unsterblichkeit, Unsterblichkeit… Die einen hatten etwas darüber gehört, andere etwas gelesen. Man plapperte Vistorms Version nach, doch die allgemeine Ansicht ging dahin, daß Valmosk einfach eine Erbschaft gemacht hätte.
Trotz dieser kleinen Unstimmigkeit verlief der Empfang reibungslos, wenn man die seltsame Episode außer acht läßt, die sich kurz vor Schluß zutrug.
Irgendwo tauchte unter den Gästen plötzlich ein seltsamer junger Mann auf, den niemand kannte. Er war gut gebaut, tadellos gekleidet und setzte manch einen durch sein Benehmen in Erstaunen. Der Butler hatte seine Ankunft nicht gemeldet. Der junge Mann erschien am Arm des Hausherrn, ging langsam durch alle Säle, betrachtete die Gäste mit unverhohlener Neugierde und verschwand dann wieder, ohne ein Wort gesagt oder jemanden begrüßt zu haben.
Als Valmosk den seltsamen Unbekannten hinausbegleitet hatte und in die Gesellschaft zurückkehrte, wurde er von den Damen umringt, die ihn um die Wette nach dem »schönen Stummen« ausfragten. Valmosk zuckte die Achseln, klimperte mit seinen Fingerringen, lächelte nach allen Seiten, gab keine befriedigende Antwort. Nur Vistorm bekam eine mehr oder weniger wahrheitsgemäße Erklärung. Der ehemalige Bürgermeister zog den Professor nämlich beiseite und fragte ihn geradeheraus: »Ist das der Mann, der Ihnen die Unsterblichkeit abgekauft hat, Valmosk?« Professor Valmosk nahm Vistorm vertraulich beim Arm und erwiderte halblaut: »Ja, Alterchen, das ist der Unglückliche,
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