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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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»Mir ist, als wären Sie erst vor einer halben Stunde fortgegangen! Wie schnell doch die Zeit verfliegt, Valmosk. Ich wundere mich über Sie. So vergeht im Handumdrehen auch eine ganze Ewigkeit. Aber regen Sie sich nicht auf, das kann Ihnen in Ihrem Alter nur schaden. Heute werde ich mich unbedingt mit Grunsoll befassen. Er wird wie eine Seifenblase platzen, an allen Börsen der Welt wird es zum Krach kommen! Im Ozean, Valmosk, habe ich gewaltige Kalmare getötet. Und erinnern Sie sich an den Vulkan, durch den ich in die Erde eingedrungen bin? Er war fünfhundert Jahre lang untätig gewesen. Ich habe ihn zu neuem Leben erweckt, und nun tobt und brodelt er bis zum heutigen Tage. So geht es mir auch mit den Menschen. Ich könnte Throne wie Kleingeld verteilen. Ich könnte aber auch Industriekönige zerquetschen wie Küchenschaben. Gehen Sie, Valmosk, und stören Sie mich nicht bei meinen Angriffsvorbereitungen! Es macht nichts, daß schon ein Monat vergangen ist. Heute werde ich die versäumte Zeit bestimmt aufholen.«
»Gut, Doriel, ich glaube Ihnen«, sagte Valmosk, als er die letzten Zeilen gelesen hatte. »Ich glaube, daß Sie Ihr Versprechen einlösen und meine Reputation retten werden. Um Ihnen dabei nicht im Wege zu stehen, gehe ich auf Reisen. Ich hoffe, daß Erm Grunsoll der Fünfte bis zu meiner Rückkehr ruiniert ist und seine Milliarden in meinen Besitz übergegangen sind. In einem halben Jahr bin ich wieder da, Doriel. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!«
15
    Überzeugt, daß Doriel die Sache diesmal gründlich anfassen werde, machte sich Professor Valmosk noch am gleichen Tag auf die Reise. Es war sehr angenehm, daß er keine großen Vorbereitungen benötigte: Er griff zum Telefonhörer, bestellte sich eine Kajüte in einem Transatlantikdampfer, steckte sein Scheckbuch ein und machte sich auf den Weg.
    Seinen Butler wies er an, die überflüssigen Dienstboten vorübergehend auszubezahlen und keinerlei Unbefugte ins Haus zu lassen. Dem Verwalter befahl er, die Vermögenslage Erm Grunsolls des Fünften aufmerksam zu verfolgen.
    Valmosk bereiste die ganze Welt und unterhielt sich blendend. Genau nach einem halben Jahr kehrte er nach Hause zurück. Er hatte bereits aus den Zeitungen erfahren, daß die Grundfesten des Hauses Grunsoll nicht erschüttert waren, sondern sich durch weitere Milliarden noch gefestigt hatten.
    Böses ahnend, ging Valmosk zunächst zu Redshans junger Frau. Er traf sie in tiefer Trauer an. Nachdem er ihr ausführlich den Zustand des Unsterblichen beschrieben hatte, sagte er: »Sie müssen mir helfen, ihn wachzurütteln, Biolia. Er muß sich mit irgend etwas befassen. Seine Depression birgt drohende Gefahren in sich! Eines Tages steht er auf und richtet Entsetzliches an! Das kann mit einer weltweiten Katastrophe enden!«
    Nach kurzem Nachdenken antwortete Biolia: »Professor Valmosk, ich halte Sie für den Mörder meines Mannes. Ich hasse Sie! Ich werde Ihnen aber trotzdem helfen. Nicht Ihretwegen, sondern meinem Sohn und allen anderen Menschen zuliebe.«
Valmosk machte eine knappe Verbeugung und führte Biolia zu seinem Wagen.
    Das Herz der jungen Frau krampfte sich schmerzhaft zusammen, als sie in die finsteren Kellerräume Valmosks hinabstieg. Es kam ihr vor, als ob sie sich in einem Grabgewölbe befände. Valmosk öffnete eine Tür nach der anderen und führte Biolia schließlich in das »Asyl der Unsterblichen«.
    Dort war es finster. Wahrscheinlich waren die Glühbirnen im Leuchter durchgebrannt. Mit einer starken Taschenlampe leuchtete der Professor den Raum ab. Biolia schrie auf, als sie die Gruppe der Unsterblichen erblickte. Sie saßen in derselben Pose da, in der Valmosk sie ein halbes Jahr zuvor verlassen hatte; aber der Schmutz, die Spinnen und die Mäuse hatten sie bis zur Unkenntlichkeit verändert.
    Gesicht, Haare und Kleidung Redshans waren von einer dikken Staubschicht bedeckt. Zwischen seiner Brust und dem Kater Flipp hing ein dichtes Spinnennetz. Auf Rongis Rücken hatten Mäuse ihr Nest gebaut.
    Redshans Augen standen offen, waren jedoch ebenfalls von grauem Staub bedeckt. Auf das Licht schienen sie nicht zu reagieren. Valmosk nahm ein Tuch aus der Tasche und rieb Redshan den Staub vom Gesicht, als sei er kein Mensch, sondern eine steinerne Statue. Und wie eine Skulptur blieb der Unsterbliche völlig bewegungslos.
    Valmosk rüttelte ihn lange Zeit und leuchtete ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht. Endlich löste sich Redshan aus seiner Erstarrung und warf einen

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