Die Reliquie von Buchhorn
sagen.«
»Isentrud, setzt Euch!«
Die Frau presste die Lippen zusammen, aber sie gehorchte. Ihr Atem ging schwer. »Was wollt Ihr noch wissen?«
»Berichtet mir einfach von diesem Tag. Wie hat er angefangen? Was habt Ihr mit Eurem Mann gesprochen? Wo wart Ihr, als er ermordet wurde?«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Gesprochen? Wahrscheinlich hat er mich eine unfruchtbare Hure genannt. Ich weiß es nicht mehr so genau. Wir haben gegessen. Das Fastenbrechen fiel bei uns immer spärlich aus, Wasser, kein Wein, Brot, etwas Käse. Danach hab ich im Wald Holz gesammelt.«
»Wie lange wart Ihr weg?«
Sie zuckte die Achseln. »Bis Mittag? Vielleicht später. Das Holz war feucht vom Schnee, deswegen musste ich tief in den Wald, bis fast zum Anwesen.«
»Seid Ihr jemandem begegnet?«
»Nein!« Ihre scharfe Stimme hallte in der kleinen Küche wider.
Eckhard nahm ihre geballte Hand in seine. »Wer könnte Dietger nach dem Leben getrachtet haben?«
Ihre Finger verkrampften sich. »Denkt Ihr auch, dass ich es war? Deswegen?« Mit der freien Hand fuhr sie über ihr misshandeltes Gesicht. »Er war mein Mann! Nicht jeder in Buchhorn hat ihn gemocht. Aber wer kann das schon von sich behaupten? Und die ihn gehasst haben, tun das schon seit Jahren, ohne dass etwas geschehen ist.«
»Und Wulfhard?«
Isentrud zog die Hand zurück und verschlang ihre Finger im Schoß.
»Isentrud?«, drängte Eckhard sanft. »Könnte es Wulfhard gewesen sein?«
»Einmal ein Mörder, immer ein Mörder.« Sie hob den Kopf, und ihre eisgrauen Augen blitzten wütend. »Natürlich kann er es gewesen sein. Er hat Dietger gehasst. Aber das sagen sie von mir auch. Schlitzt uns doch gleich beiden die Eingeweide auf.« Mit einem unterdrückten Schluchzen drückte sie die Linke auf den Bauch.
»Erzählt weiter«, befahl Eckhard nach einer Weile ruhig. »Wer waren Dietgers Freunde?«
Ein Ausdruck von Überraschung huschte über Isentruds Züge. Sie strich sich die Haare zurück und richtete sich auf. »Bertram, der Töpfer. Er mochte meinen Mann wirklich, glaube ich. Er hat ihn immer nach Aeschach auf den Markt gefahren. Bertram hat ein Pferd und einen Karren.«
»Wann waren sie zuletzt dort?«
»Vor ein paar Tagen. Ich meine, ein paar Tage vor seinem Tod.«
»Und ist dort etwas geschehen? Etwas, was Dietger vielleicht Angst gemacht hat?«
»Dietger hatte Angst vor Geistern und davor, dass seine Bienenvölker sterben, sonst vor nichts.«
»Hat er irgendwie anders gewirkt? Aufgeregt vielleicht?«
Isentrud schürzte die Lippen. »Er war wie immer.«
»Das heißt?«
»Unausstehlich!«
Eckhard stieß einen ungeduldigen Laut aus. »Versteht Ihr nicht, dass ich das alles frage, um Euch zu helfen, Frau? Denkt nach! Hat er irgendetwas erwähnt, was ihn beunruhigt oder sonst beschäftigt hat, als er vom Markt nach Hause kam?«
Sie fasste an ihre Kehle. Eckhard packte blitzschnell ihr Handgelenk, dabei streiften seine Fingerkuppen die Kordel um ihren Hals. Er zog einen kleinen Holzbehälter hervor und drehte ihn zwischen den Fingern. »Was ist das?«
»Eine Reliquie.« Ihre Stimme klang rau. »Er hat sie von einem Mönch gekauft. Auf dem Markt in Aeschach.«
»Ein Mönch? Was für ein Mönch? Beschreibt ihn mir! War es ein Benediktiner? Alt oder jung?«
Sie lehnte den Oberkörper zurück, bis er den Anhänger losließ, und stopfte ihn unter ihr Kleid. Als sie Eckhard wieder ansah, wirkten ihre Augen glanzlos und müde. »Ich war nicht dabei, Herr. Dietger hat gesagt, dass er einen Mönch getroffen hat. Sonst nichts. Wir sprechen nicht miteinander. Nie! Und jetzt verzeiht, ich bin müde. So müde!«
Sie wollte aufstehen, aber Eckhard hielt ihre Handgelenke fest. »Isentrud, was verschweigt Ihr mir?«
Die Frau blieb stumm.
Das Gesicht des Mönchs wurde sehr ernst. »Euer Schweigen kann unschuldiges Leben kosten. Eures. Wulfhards, wenn er unschuldig ist. Ist Euch das wirklich gleichgültig?«
Ihre Hände in den seinen zuckten. »Wie geht es ihm? Wulfhard, meine ich.«
»Warum fragt Ihr?« Als sie die Antwort schuldig blieb, setzte er hinzu: »Es geht ihm gut, soweit man das sagen kann. Aber er kann kein Sühnegeld zahlen. Wenn er also des Mordes angeklagt wird, kann es ihm ergehen wie Tankmar.«
Sie schluckte, als Eckhard den hingerichteten Spielmann erwähnte. »Aber ich weiß doch nichts!«, brach es aus ihr heraus. »Dietger hat mir wirklich nichts erzählt. Er hat mich nicht geschlagen, und dafür war ich dankbar. Stattdessen hat er mir
Weitere Kostenlose Bücher