Die Reliquie von Buchhorn
Mutter wird. Unrein!«
Eckhard betrachtete den jungen Benediktiner befremdet. »Sie hat mit dem Segen der Kirche geheiratet.«
Rodericus’ Blick schweifte über die blaue Wasserfläche, auf der goldene Punkte glitzerten. »Schwangerschaften entstammen der Sünde. Somit ist jede Mutter unrein, und die Kinder …«
Rodericus verstummte, als Eckhard seine Schulter drückte. »Ich kenne das Dilemma, junger Freund. Doch der Herr selbst wollte, dass ein Weib seinen Sohn austrägt.«
Rodericus schaute in weite Ferne, wo der Pfänder vom Dunst des Nachmittags verschleiert wurde. Als er sich Eckhard erneut zuwandte, war der wütende Funke in seinen Augen verloschen. »Du weißt auf alles eine Antwort, nicht wahr?«, fragte er beinahe ehrfürchtig. »Wirst du dann auch Bruder Warmund finden?«
»Mit Gottes Hilfe.« Eckhard drehte den Kopf und sah zum anderen Ende des Kahns. Wendelgard hatte sich beruhigt und ließ sich vorsichtig von Gunhild an Land führen. »Graf Udalrich!«
»Ja, Eckhard?«
Eckhard näherte sich dem Grafen respektvoll. »Ich würde gern gleich mit meinen Nachforschungen beginnen. Je schneller ich den Mord an Dietger aufgeklärt habe, desto schneller kann ich Bruder Warmund finden.«
Eine Weile musterte Udalrich den Mönch prüfend, dann lächelte er plötzlich. »Der alte Eckhard kehrt zurück«, stellte er freundlich fest. »Seht Euch um. Aber seid morgen auf dem Anwesen. Ich habe dem Abt mein Wort gegeben. Dann könnt Ihr auch Euren jungen Begleiter auflesen.«
Die beiden Männer teilten ein Lächeln, das langsam erstarb, als ihnen bewusst wurde, was sie verband.
»Ich vermisse ihn auch«, sagte Udalrich endlich schlicht. »Aber Ihr müsst weiterleben. Salomo hätte nichts anderes gewollt.«
»Das habe ich auch begriffen«, antwortete Eckhard müde. »Nur leider zu spät.«
Der Weg am See entlang zum Dorf war voller Erinnerungen. Nicht alle waren erfreulich, aber Eckhard lächelte dennoch, als er die verstreuten Hütten vor sich auftauchen sah. Doch nicht Buchhorn selbst war sein Ziel, sondern die Schmiede. Allein der Gedanke an seinen Freund und Gefährten Gerald ließ ihn schneller gehen. Er eilte die Straße hinauf, vorbei an der Buche, aus der erregte Männerstimmen drangen. Eckhard blieb stehen und lauschte.
»Zum letzten Mal!«, hörte er Eberhard rufen. »Es ist nicht eure Sache, den Schuldigen zu überführen.«
»Dann wird Wulfhard also wieder davonkommen?«
»Und wenn es doch die Witwe war? Bertram hat schon recht: Warum war sie nicht daheim?«
Eckhard biss sich auf die Unterlippe und eilte weiter.
Der Ort war wie ausgestorben. Die Fischer waren entweder am Hafen oder daheim bei ihren Familien, während die Buchhorner sich in der Schenke versammelt zu haben schienen. Nur aus wenigen Werkstätten erklang das Geräusch von Arbeit.
Auch als er sich der Schmiede am Dorfrand näherte, vermisste er das Schlagen des Hammers auf dem Amboss. Er hob die Faust und pochte an die Tür der Hütte.
»Gerald?«, ertönte eine helle Stimme.
»Gott zum Gruße, Fridrun.«
Die Tür wurde aufgerissen, und eine vielleicht siebzehnjährige Frau mit blonden Haaren wurde sichtbar. Als sie den Mönch erkannte, stieß sie einen Freudenschrei aus. »Dann hat der Herr meine Gebete erhört! Gerald hat immer gesagt, dass Ihr kommen würdet. Nun wird alles gut!« Einen Augenblick schien es, als ob sie dem Mönch um den Hals fallen wollte, aber sie klatschte nur in die Hände wie ein Kind. »Werdet Ihr Wulfhard helfen?«
Eckhard hob die Brauen, und Fridrun schlug sich die Hand vor den Mund. »Ihr erzählt Gerald doch nicht, dass ich das gesagt habe! Wollt Ihr etwas essen? Ihr seht müde aus.« Sie fasste nach seinem Ärmel, aber Eckhard streifte ihre Hand sanft ab.
»Wo ist Gerald?«
Über ihr Gesicht huschte ein Schatten. »Bei Dietger. Er hält die Totenwache. Sie wechseln sich damit ab. Eigentlich sollte Dietger längst beerdigt sein, aber Gerald hat mit dem Pfaffen gesprochen.«
»Und warum?«
»Euretwegen«, sagte Fridrun schlicht. »Und jetzt seid Ihr da.«
Eckhard strich über ihre runde Wange. »Jetzt bin ich da. Und schon wieder fort. Ich muss zu Gerald. Aber ich verspreche dir, dass wir uns bald wiedersehen, Fridrun.«
III
Gerald ertappte sich dabei, wie er auf den Fingernägeln kaute. Immer wieder sah er zu dem Toten hinüber. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, die Beerdigung aufzuschieben und den Pfaffen zu bitten, auf Eckhards Rückkehr zu warten. Der Gestank des Todes
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