Die Reliquie von Buchhorn
dass alle zusammenzuckten. »Viele Orte liegen im Süden. Wollt Ihr unsere Zeit damit verschwenden, sie alle aufzuzählen? Wir brechen auf. Gernot wird diese Burschen da«, er nickte zu Wulfhard und Gerald hinüber, »beaufsichtigen, wenn sie die Pferde holen. Beeilt Euch.«
»Ja, Herr.« Geralds Stimme klang erstickt. Er packte Wulfhard am Ärmel und zog ihn ins Freie, während Gernot bedächtig folgte.
Schweigend legte der Welfe mit Hand an, als Gerald und Wulfhard begannen, die Pferde zu satteln und aufzuzäumen.
Wulfhards Wunde hatte wieder angefangen zu bluten, aber niemand verlor ein Wort darüber. Erst als sie fertig waren, reichte Gernot ihm schweigend einen Fetzen Stoff. »Du solltest das verbinden, ehe wir losreiten.«
Wulfhard murmelte etwas Unverständliches, aber er nahm den Stoff. Doch statt ihn auf die Wunde zu drücken, drehte er ihn nur unschlüssig zwischen den Fingern. »Was für ein Pferd hat Hunfried geritten?«
Gernot musterte ihn überrascht. »Einen Fuchs, soweit ich weiß. Warum fragst du?«
Ohne zu antworten, warf Wulfhard dem nächsten Tier den Sattel auf den Rücken.
Es war ein stattlicher Zug, der wenig später Altdorf hinter sich ließ. Ottmar und Gernot folgten zwei berittene Kriegsknechte, dazu Gerald, Wulfhard und Eckhard. Der junge Welfe sonnte sich sichtlich in den Respektsbekundungen der Altdorfer, und langsam löste sich der verkniffene Zug um seinen Mund und machte einem zufriedenen Lächeln Platz. Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, verlangsamte sich der Schritt der Pferde notgedrungen. Die Straße war von Fußabdrücken, Pferdehufen und Karrenspuren zerfurcht, sodass die Reiter ihre Tiere nur vorsichtig antreiben konnten, wenn sie nicht riskieren wollten, dass die edlen Pferde sich die Beine brachen. Eckhard, der anfangs gehofft hatte, Rodericus’ und Hunfrieds Spuren folgen zu können, gab es bald auf und ließ stattdessen seine Gedanken schweifen.
Plötzlich verlangsamte Ottmar den Schritt seines Rappen noch mehr. Eckhard reckte den Hals und sah eine Gruppe Benediktiner, die sich am Wegesrand durch den Straßenschlamm kämpfte. Als der Alte an ihrer Spitze den Kopf hob, durchfuhr ihn jähes Erkennen. »Gott zum Gruße, Brüder!«, rief er.
Ottmar krauste ärgerlich die Stirn. »Wir haben es eilig. Es ist schon nach Mittag!«
»Da habt Ihr recht, Herr, aber ich würde gern ein paar Worte mit meinen Brüdern wechseln, wenn Ihr erlaubt«, erwiderte Eckhard.
Ottmar verzog den Mund, aber er winkte Gewährung.
Eckhard rutschte aus dem Sattel. »Wir sind uns doch in Altdorf begegnet, Bruder. Ihr erinnert Euch, wir haben nach unserem Bruder Warmund gefragt.«
Die verwitterten Züge des Alten hellten sich auf. »Ich erinnere mich. Habt Ihr ihn gefunden?« Er blinzelte zu dem Reiterzug empor.
Eckhard folgte seinem Blick. »Wir haben ihn gefunden, aber er ist nicht bei uns. Bruder Warmund ist bei Gott. Wir haben ihn heute Morgen bestattet.«
»Gott wird sich seiner annehmen«, meinte der Mönch und bekreuzigte sich. »Wie ist er gestorben?«
Eckhard zögerte, ehe er den alten Mann fest ansah. »Er wurde ermordet.« Der alte Benediktiner wurde blass und schlug erneut das Zeichen des Kreuzes. Eckhard fuhr fort, ohne ihn aus den Augen zu lassen: »Ja, er wurde erschlagen, und nun ist auch noch mein junger Begleiter verschwunden.«
Die Runzeln im Gesicht des anderen vertieften sich, ängstlich sah er sich um. »Räuber?«, fragte er. »Man hört so Schlimmes, dass wir unsere eigene Heimreise nur zögernd angetreten haben.«
»Bruder Eckhard!« Ottmars helle Stimme klang ungeduldig.
Eckhard hob die Hand. »Einen Moment, Herr.« Er wandte sich wieder an den Alten. »Nein, Räuber haben Bruder Rodericus nicht verschleppt. Wir vermuten ihn in der Begleitung eines Kriegsmannes, und eigentlich hatte ich gehofft, dass sie an Euch vorbeigekommen sind.«
Der Alte blickte kurzsichtig auf die Landstraße. »Ein Mönch und ein Laie, beide zu Pferd. Ja, es kann schon sein, dass die uns passiert haben. Das war Euer junger Bruder? Warum ist er denn nicht bei Euch?«
Eckhard schüttelte nur den Kopf. »Könnt Ihr den Mann beschreiben, Bruder? Den Krieger?«
»Nein, ich glaube nicht.« Der alte Mönch sah ratlos zu seinen Begleitern. »Es ging sehr schnell. Sie sind schneller geritten als ihr. Sie …«
»Wie sah sein Pferd aus?«
Der Alte zuckte bei der barschen Frage zusammen. Er sah zu Wulfhard auf, der sein Pferd unbemerkt neben ihn gelenkt hatte. »Braun, glaube
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