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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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Plötzlich hielt sie die Hand der anderen Frau fest und umklammerte sie. »Werde ich sterben?«
    »Das weiß ich nicht, Herrin, das liegt bei Gott.«
    Wendelgard ließ den Atem entweichen. Sie drängte die Tränen zurück und tastete wieder nach der Tasche. »Hast du hier gelogen?«
    »Nein, Herrin, ich habe diese Tasche nie zuvor gesehen.« Isentrud legte der Gräfin den Arm um die Taille und stützte sie. »Ich weiß nur, dass Dietger verändert war, als er aus Aeschach zurückkam. Ich dachte, es hätte mit der Reliquie zu tun, aber vielleicht war es mehr.« Sie fuhr mit den Fingerspitzen über das feine Leder. »Ich weiß nicht, weswegen er gestorben ist. Ich weiß nur, dass er mir noch im Tod alles genommen hat.«
    Sanft strich Wendelgard über die trockene kühle Wange. »Wenn ich sterbe …«
    »Pst, es bringt Unglück, darüber zu sprechen«, unterbrach Isentrud und bekreuzigte sich. »Ihr glüht, Ihr müsst Ruhe finden.«
    Wendelgard schüttelte den Kopf. »Keine Ruhe. Dafür ist keine Zeit mehr. Ich muss nach St. Gallen.« Ihre Stimme verlor sich in einem träumerischen Selbstgespräch. »Mein Kind muss dort zur Welt kommen, in Wiboradas Nähe. Udalrich wird verstehen. Er wird …« Sie wollte aufstehen, doch die Schmerzen waren zu stark. Sie keuchte. »Isentrud!«
    »Ich bin hier, Herrin! Ich werde Euren Gemahl holen.«
    »Er ist in Buchhorn. Oh Gott, es ist zu früh, zu früh!« Die Gräfin verbarg das Gesicht in den Händen.
    Isentrud kauerte sich vor ihr auf den Boden und begann wieder mit ihrer beruhigenden Massage. Plötzlich ließ sie die Hand sinken. »Hufschlag, Herrin!«
    Wendelgard ließ den Kopf in den Nacken fallen. »Oh, Gott sei Dank«, flüsterte sie. »Er soll kommen. Ich habe nicht mehr viel Zeit.«
    Gehorsam stand Isentrud auf, aber sie zögerte, Wendelgard allein zu lassen.
    Die Gräfin machte eine ungeduldige Geste. »Los, geh schon! Husch, husch!«
    Isentrud öffnete die Tür und stieß fast mit Udalrich zusammen. Der prallte zurück, dann sah er seine Frau auf dem Bett. Er stieß Isentrud beiseite und kniete vor Wendelgard nieder. Stürmisch umfasste er ihre Hände. »Was machst du hier? Wendelgard, du sollst dich doch schonen.«
    Sie senkte die Stirn auf seine Haare. »Keine Zeit mehr. Wir müssen nach St. Gallen. Dort soll mein Sohn zur Welt kommen.«
    »Nein!«
    Sie legte ihm die Hand auf den Mund und lächelte.
    Seine Schultern sackten herab. »Ich werde die Kutsche kommen lassen. Gleich. Ich werde dich begleiten. Alles andere kann warten.«
    Wendelgards Hand sank auf seine Schulter und kam dort zur Ruhe. »Alles andere?«
    »Ja, aber …«
    »Was, Udalrich?«
    Der Graf sah zwischen den beiden Frauen hin und her. Um Isentruds Lippen schwebte ein bitteres Lächeln. Verärgert brach Udalrich den Blickkontakt. Als er sprach, wandte er sich ausschließlich an seine Frau. »Ich habe Sühne für Bertolds Verletzungen gefordert, und im Gegenzug habe ich im Dorf verkündet, dass ich Isentrud als Mörderin zur Rechenschaft ziehen werde.«
    »Was?«, kreischte Wendelgard.
    Udalrich versuchte, ihre Hand zu fassen. »Ich brauche Frieden in meiner Grafschaft. Ich muss mich jetzt um dich kümmern.«
    »Und das nimmst du zum Vorwand, um eine Unschuldige hinrichten zu lassen?« Wendelgard stieß ihren Mann von sich und kam schwankend auf die Füße. »Udalrich, sie …, sie ist schwanger!«
    »Schwanger? Das ist ja wunderbar.« Er nahm das Gesicht seiner Frau zwischen beide Hände und küsste es trotz ihres Widerstrebens. »Niemand wird von mir verlangen, einer schwangeren Frau ein Haar zu krümmen. Und bis es so weit ist, ist Eckhard längst zurück. Du vertraust dem Mönch doch auch?«
    »Schon, aber …«
    Udalrich küsste sie erneut. »Kein Aber, Liebes. Alles wird gut, du wirst sehen.«
    Wendelgard sah zu Isentrud hinüber, die die Faust um die Reliquie geschlossen hatte. Als sie die Aufmerksamkeit der Gräfin auf sich gerichtet fühlte, senkte sie den Kopf mit einem kleinen Nicken.
    Endlich ließ sich Wendelgard in die Arme ihres Mannes sinken. »Dann soll es so sein. Nur eines …«
    »Alles!«
    »Wenn ich sterbe …«
    »Und daran«, er küsste sie mit einem Hauch von Verzweiflung, »wirst du nicht einmal denken. Versprichst du mir das? Versprich es mir!«
    Sie nickte und ließ zu, dass er sie um die Taille fasste und auf die Füße zog. »Wir fahren noch heute, mein Gemahl, nicht wahr?«
    »Alles, was du willst. Eberhard, mach die Kutsche fertig! Rasch! Wir brechen sofort

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