Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
sagen, was er weiß.«
Rebekka lenkte Vila nach rechts Richtung Nymburk. Erst kurz vor Prag würde sie sich unter die Leute mischen, dann würde sie nicht mehr auffallen.
***
»Herr!«
Die Stimme klang seltsam. Hallte unwirklich, als befände sich der Rufer in einer riesigen Höhle.
»Herr!«
Karl stöhnte. Überall Schmerzen. Dann durchzuckte ihn die Erinnerung an die Flucht. Immerhin, er lebte. Aber in den Fängen seiner Feinde würde das nicht lange währen. Und bevor er verschied, drohten ihm schreckliche Qualen. Er durfte kaum auf einen schnellen Tod hoffen. Karl öffnete die Augen. Licht blendete ihn. Wer war der Herr, nach dem die Stimme rief? Würde er jetzt den Mann zu Gesicht bekommen, in dessen Falle er gelaufen war?
Karl bewegte einen Arm. Er war nicht gebunden. Wozu auch? Er war wehrlos wie ein Neugeborenes.
»Er kommt zu sich«, sagte jemand.
Diese Stimme kannte Karl. Es war Matyas. War auch er gefangen? Das Heer vernichtet? Wie hatte das geschehen können? Welche Mächte waren da im Spiel?
Karl blinzelte. Alles wirkte verschwommen, er konnte nur Umrisse erkennen. Flackerlicht, mehrere Gestalten, die um ihn herumstanden. Lag er in einem Zelt? Im Verlies einer Burg? Wie lange war er bewusstlos gewesen? Die Fragen machten ihn schwindelig.
Wieder drang Matyas’ Stimme zu ihm vor. »Herr, ich bin untröstlich …« Matyas stockte.
Karls Befürchtungen wurden zur Gewissheit, er versuchte zu sprechen. »Wie …?«
»Wir dachten, Ihr wärt Fulbachs Männer, die zu fliehen versuchten.«
Karl verstand nicht, das ergab keinen Sinn – oder doch? War es möglich, dass er gar nicht in Feindeshand war? Ja, so musste es sein: Seine eigenen Männer hatten auf ihn und seine Getreuen geschossen und ihren Fehler erkannt, bevor sie ihren König umbrachten. Gerade zur rechten Zeit.
Dann begriff Karl, was Matyas gesagt hatte. »Fulbach steckte also dahinter«, krächzte er. »Wo ist …?«
»Er konnte fliehen.« Matyas räusperte sich. »Herr, ich übernehme die volle Verantwortung.«
Karl hob eine Hand. »Schon gut, Matyas, schon gut.« Seine Stimme gewann mit jedem Wort wieder an Kraft.
Karl richtete sich auf. Er kannte Fürstabt Fulbach. Man hatte ihm sogar das Gerücht zugetragen, der Abt sei ein Verschwörer. Doch er war diesem Vorwurf nicht weiter nachgegangen. Ja, er hatte sogar verboten, ihn weiterhin auszusprechen. Ein gefährlicher Fehler! Karl überlegte. Wahrscheinlich zählten auch Fürstabt Reinhard von München, Abt Remigius von Trier und Abt Albert von Hannover zu den Umstürzlern, denn sie und Fulbach hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Karl presste die Lippen zusammen. An Fulbach kam er nicht heran, der Fürstabt genoss so lang Immunität, bis man ihm ein Verbrechen hieb- und stichfest nachweisen konnte. Eine mehr als lästige Angelegenheit. Gab es noch weitere Verschwörer? Womöglich in den eigenen Reihen? Karl musste tief Luft holen. »Warum kamt Ihr so spät, Matyas?«
»Raubritter kamen uns in die Quere. Sie griffen die Vorhut an, aber sie hatten wohl schlechte Kundschafter. Wir sind rasch mit ihnen fertiggeworden. Trotzdem hat es einen halben Tag gedauert, bevor wir weitermarschieren konnten. Alle haben ihre gerechte Strafe erhalten.«
Karl nickte. Er selbst hätte nicht anders gehandelt. So war das Leben, so war das Land: noch immer wild und unberechenbar. Aber er würde nicht ruhen, es zu befrieden. Eines Tages sollte es möglich sein, dass ein einzelner Mann, oder sogar eine Frau, unbehelligt durch Böhmen und das Reich reisen konnte. Im Augenblick gab es jedoch drängendere Sorgen. Fürstabt Fulbach musste zur Strecke gebracht werden. Karl konnte einen solch gefährlichen Gegner nicht einfach davonkommen lassen.
»Grämt Euch nicht, Matyas«, sagte er. »Ihr habt alles richtig gemacht.« Wieder zuckten Schmerzen durch seinen Körper. Schmerz und Angst, dachte Karl, das sind zwei unliebsame Gefährten des Menschen, aber ohne sie kann er nicht überleben. Also muss er sich mit ihnen gutstellen. »Was sagt der Arzt?«
»Ihr seid bald wieder wohlauf, habt keine schwere Verletzung. Das ist die gute Nachricht.«
»Und die schlechte?«, fragte Karl.
Matyas runzelte die Stirn. »Keine schlechte.«
»Umso besser. Kann ich reisen?«
Ein Mann trat hinzu, den Karl bisher nicht beachtet hatte. Der Chirurgicus. »Ihr werdet ein wenig Eure Glieder spüren, Majestät, und Euren Kopf. Aber Ihr seid nicht ernsthaft verletzt. Ihr habt großes Glück gehabt.«
»Dann sollten wir nicht
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