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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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nicht zu übersehen, dass die Niederkunft kurz bevorstand.
    »Nein«, sagte sie mit fester Stimme und strich sich mit der Hand über den Bauch. »Ich habe unmissverständliche Anweisungen von Karl. Ich habe ihm mein Wort gegeben, mich genau daran zu halten. Niemals werde ich die Prager Burg aufgeben, solange nicht sein Leichnam vor mir liegt. Und wer behauptet, der König sei tot, dem lasse ich die Zunge herausreißen!«
    Montfort verneigte sich. »Herrin, es ist nur zu Eurer Sicherheit.«
    Anna lachte kurz. »Montfort, Ihr seid ein treuer Diener des Königs.« Sie nickte Engelbert zu. »Und das Gleiche gilt für Euch, von der Hardenburg. Genau deshalb darf mein Schicksal nicht Euer erstes Interesse sein. Mein Kind darf nicht gefährdet werden.« Wieder legte sie eine Hand auf ihren Bauch. »Allein darum geht es. Glaubt Ihr allen Ernstes, ich lasse mich darauf ein, den Sohn des Königs irgendwo auf der Flucht zur Welt zu bringen? Womöglich in einer Gegend, die von der großen Seuche heimgesucht wird? Niemals!«
    Engelbert musste zugeben, dass Anna damit nicht Unrecht hatte. Die Reise war gefährlich, das Wetter unberechenbar, jederzeit konnte der Winter mit Macht über das Land hereinbrechen. Ganz zu schweigen von der Pestilenz und anderen Fährnissen. Sie hatten keine Wahl: Die Prager Burg musste bis zu Annas Niederkunft verteidigt werden, koste es, was es wolle. Sie mussten alle Kräfte aus dem Umland und der Stadt auf der Burg zusammenziehen und beten, dass Karl bald wohlbehalten wieder auftauchte.
    Allein der König konnte der Gefahr Einhalt gebieten. Engelbert teilte nicht die Zuversicht Montforts, was das Kind anging. Selbst wenn Anna einen Sohn gebar, hieß das noch lange nicht, dass sich die hungrigen Wölfe zurückziehen würden. Aber diese Bedenken behielt er für sich.
***
    Rebekka atmete auf. Die Sonne hatte sich durchgesetzt, und die Dächer Prags glänzten im Abendlicht wie Gold, obwohl sie nur nass waren vom tauenden Schnee. Ihre Entscheidung hatte sich als richtig erwiesen. Den wenigen Reisenden, die zwischen Nymburk und Prag unterwegs gewesen waren, hatte sie leicht ausweichen können. Vila schien es geradezu Freude zu bereiten, durch den Schnee zu stapfen, der inzwischen fast einen halben Fuß hoch lag; nicht viel für diese Jahreszeit, und doch genug, um einen Fußgänger zu behindern, vor allem, wenn Schneewehen den Weg versperrten.
    Rebekka mischte sich in den Menschenstrom, der sich vom Dorf Parschitz, das vor den Mauern der Stadt lag, durch das Tor bis auf den Altstädter Ring schob. Zwar musterten die Wachen sie argwöhnisch, aber sie wurde nicht angehalten.
    Am Altstädter Ring musste sie absitzen und Vila am Zügel führen, zu viele Menschen drängten sich auf dem belebten Platz. Der Duft nach Brot, Holzfeuer und frisch zubereiteten Speisen ließ sie schwindelig werden vor Hunger. Vor ihrem inneren Auge sah sie bereits all die Köstlichkeiten, die man ihr im Hause Severin auftischen würde.
    Ungeduldig drängte sie sich durch die Menge. Einige Schritte vor ihr gingen zwei Männer, von denen einer wegen seiner bunten Gewänder auffiel, insbesondere wegen seines Hutes, an dem drei Pfauenfedern auf und ab wippten. Unterwegs hatte sie solche Gewänder gesehen und einmal auch eine ähnliche Kopfbedeckung. Leute aus dem Süden, aus Genua, Umbrien und der Toskana trugen sie. Die Stimme des Südländers war tief und trug weit; er klang fast wie Rabbi Isaak, wenn er ihr eine Lektion erteilte. Unermüdlich redete er auf den Mann neben ihm ein, der eine graue Gugel trug und ständig nickte. Der Unterschied hätte nicht größer sein können: die bunten Federn, die graue Gugel, der eine redete ohne Unterlass, der andere lauschte geradezu andächtig. Irgendetwas an dem Mann mit der Gugel kam ihr bekannt vor. Vermutlich war sie ihm schon einmal hier in Prag begegnet.
    Die beiden Männer bogen nach rechts in eine Gasse ab, Rebekka wandte sich nach links, wo am äußersten Ende des Platzes das Haus des Tassilo Severin stand.
    Einen Augenblick zögerte sie. Wie konnte sie sicher sein, dass Tassilo nicht auch von irgendjemandem gedungen war? Gar nicht. Sie musste auf ihr Herz vertrauen.
    Leise klopfte sie.
    Die Tür öffnete sich, Tassilo selbst erschien auf der Schwelle, riss die Augen auf, und bevor Rebekka etwas sagen konnte, zog er sie in die Stube und schloss die Tür. Dann legte er seine Arme um sie, drückte zu und sagte: »Gott sei gepriesen! Du lebst! Du bist wohlauf!«
    »Aber nicht mehr lange,

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