Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Krone geltend machen.
Fulbach hatte damit gerechnet und zugleich Boten an seine Verbündeten geschickt und sie aufgefordert, ihre Söldner in Bewegung zu setzen, sie auf Prag marschieren zu lassen. Die Stadt war wegen der vielen Baustellen augenblicklich schlecht befestigt, überdies fehlte es Karl an einem stehenden Heer. Wie eine reife Frucht würde ihnen Prag in die Hände fallen, noch bevor der Winter eine lange Belagerung unmöglich machte.
Fulbach rieb sich die Hände. Wenn der Hradschin erst gefallen war, musste Ludwig V. ihm ein sehr gutes Angebot machen, damit er den Thron nicht an die Habsburger übergab. Allerdings enthob ihn diese gottgefällige Beseitigung dieses lächerlichen Judenfreundes vom deutschen Thron nicht seiner heiligsten Aufgabe: Er musste Amalie Belcredi finden und ihr das Geheimnis der heiligsten Reliquie der Christenheit entreißen.
Ab jetzt würde er sich persönlich um die Jagd nach Amalie Belcredi kümmern, denn noch so ein Desaster wie mit Kylion Langenmann konnte er sich nicht erlauben. Ein weiterer Grund, sofort nach Prag aufzubrechen. Denn wenn Amalie Belcredi noch lebte, würde sie dorthin zurückkehren, daran zweifelte Fulbach keinen Moment. Nur dort konnte sie Hilfe erwarten, nur dort konnte sie Verbündete finden. Je schneller er Prag einnahm, desto eher würde er Amalie Belcredi fangen.
Fulbach trat vor sein Zelt und betrachtete zufrieden seine Armee. Innerhalb kürzester Zeit hatte er zweihundertfünfzig Ritter, vierhundert Speerträger und zweihundert Armbrustschützen zusammenziehen können. Remigius würde noch einmal so viele Männer senden, Abt Reinhard etwa die Hälfte. Nur Abt Albert war nicht in der Lage, Söldner zu stellen, dafür hatte er Fulbach immerhin dreihundert Pfund Silber zukommen lassen. Alles in allem verfügte er also über sechshundert Ritter, eintausend Speerträger und nicht ganz fünfhundert Armbrustschützen. Das war zwar nichts im Vergleich zu den Armeen in der Schlacht von Crécy, wo allein auf französischer Seite zehntausend Ritter gefallen waren. Aber um die Prager Burg einzunehmen, reichte es allemal.
***
In der Nacht hatte es ein wenig geschneit, ein bleigrauer Himmel spannte sich über den Wald. An Vilas Bauch gekauert, wachte Rebekka auf. Ihre Glieder fühlten sich steif an, aber ihr Körper war warm. Vila hatte ihr das Leben gerettet. Ohne weitere Verzögerung setzte Rebekka ihre Reise fort.
Wenig später stand sie an einer Weggabelung und war sich nicht sicher, welche Richtung sie einschlagen sollte. Auf der Karte gab es zwei Strecken nach Prag, die als halbwegs sicher galten. Die eine war etwas weiter, führte über stark befahrene Straßen durch die Stadt Kutná Hora, die andere leitete sie auf schmalen Pfaden zum Dörfchen Nymburk und von dort nach Prag. Lauerte ihr dort jemand auf, war es wahrscheinlich um sie geschehen. Andererseits tummelten sich Räuber eher dort, wo es etwas zu holen gab. Nahm sie den Weg über Kutná Hora, konnte sie sich sicher sein, die meiste Zeit Reisende um sich zu haben. Das wiederum barg den Nachteil, dass sich rasch herumsprechen könnte, dass eine junge, recht schweigsame Frau allein unterwegs war. Und ihre Feinde waren überall, davon war sie überzeugt. Wenn selbst ein Hauptmann der königlichen Wache dazu genötigt werden konnte, seine heiligen Schwüre zu brechen, war sie nirgendwo sicher.
Sie konnte niemandem trauen, genau wie Engelbert von der Hardenburg es ihr gesagt hatte. Aber auch er verfolgte seine eigenen Ziele, und vielleicht war sie für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Und Bohumir Hradic? Der würde letztlich immer den Befehl seines Königs ausführen, selbst wenn das bedeutete, sie auszuliefern oder gar zu töten.
Es gab nur einen einzigen Menschen, dem sie ihr Leben anvertraut hätte, und der war weit weg: Johann. Ihm vertraute sie bedingungslos. Er war ein Christ und dennoch ein guter Mensch, der sie immer geachtet hatte. Heimweh überfiel Rebekka. Sehnsucht nach jenen unbeschwerten Stunden in der Burgruine von Rothenburg. Wie unwirklich ihr diese Zeit vorkam! Wie aus einem anderen Leben. Es schien Jahre her zu sein, dass sie ihre Heimat verlassen hatte, dabei waren seitdem kaum mehr als zwei Monate vergangen.
Vila schnaubte und schüttelte ihre Mähne.
»Du hast ja Recht, meine Gute«, sagte Rebekka und klopfte ihr mit der flachen Hand auf den Hals. »Alles Jammern hilft nicht. Wir müssen nach Prag. Ich muss mit Engelbert von der Hardenburg sprechen und ihn zwingen, mir zu
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