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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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war? Niemand wurde vom König empfangen, die Königin tätigte an seiner Stelle die Geschäfte. Soldaten wurden auf der Burg zusammengezogen, als stünde der Feind vor den Toren. Oder war er bereits bis in den Palas vorgedrungen? Wurde der König gefangen gehalten? Gab es eine Revolte? Engelbert presste die Handflächen auf den Tisch. Nichts war schlimmer, als nichts zu wissen. Er beschloss, nochmals bei Montfort vorzusprechen.
    Ohne ein Wort verließ er die Kommende, schwang sich auf sein Pferd und ließ es in Trab fallen. Murrend machten die Leute Platz, die Brücke war wie immer voll von Menschen, die entweder der Burg oder der Altstadt zustrebten. Doch etwas war anders. Engelbert spürte die Anspannung, die über der Stadt lag. Bei der Heiligen Jungfrau! Es war an der Zeit, dass der König etwas unternahm.
    Engelbert wurde sofort zu Montfort vorgelassen, der ihm einen Becher Wein und einen Platz anbot.
    »Was ist mit dem König?«, platzte Engelbert heraus. »Hört Ihr nicht, welche Gerüchte in den Straßen umgehen? Wenn das die Wittelsbacher oder die Habsburger erfahren, was glaubt Ihr, was sie als Erstes vergessen werden? Ihre Schwüre! Karl ist ohne Erben! Was glaubt Ihr, wie schnell seine Gegner versuchen werden, Böhmen und das ganze Reich in ihre Gewalt zu bringen? Und wir könnten nichts dagegen tun. Karl muss sich zeigen, egal, wie krank er ist.«
    Montfort knetete seine Hände, blickte kurz in Engelberts Augen und starrte dann an die Decke. »Wir wissen nicht, wo der König ist und ob er lebt.«
    Engelbert federte von seinem Stuhl hoch, ihm fehlten die Worte.
    »Ihr seid mir zuvorgekommen, Engelbert von der Hardenburg, denn ich wollte Euch ohnehin rufen lassen. Ich habe eine Bitte an Euch.«
    Engelbert musste nicht nachdenken, um zu wissen, worum es ging. Doch er schwieg, überließ Montfort das Wort.
    »Wir müssen befürchten, dass die Todesnachricht kein Gerücht ist.«
    Engelbert fasste sich unwillkürlich ans Herz. »Was wollte der König in Pasovary?«, stieß er hervor.
    Montfort stand ebenfalls auf, Schweiß stand auf seinem Gesicht. »Er hat mich leider nicht in seine Pläne eingeweiht, aber das ist jetzt ohnehin unwichtig. Wir brauchen die Hilfe des Deutschen Ordens.«
    »Vor allem die Hilfe der Ritter, nehme ich an.«
    »Jeden, den Ihr entbehren könnt.« Montfort wischte sich mit dem Ärmel seines Bischofsgewandes den Schweiß von der Stirn.
    Engelbert setzte sich wieder. Jetzt rächten sich die vielen Feldzüge gegen die Litauer und Polen, die fast das ganze Jahr über erhebliche Kräfte banden. Kräfte, die ihnen nun hier fehlten.
    Montfort begann, im Raum auf und ab zu gehen. »Wir müssen nur eine gewisse Zeit den Thron verteidigen. Anna wird in etwa vier Wochen niederkommen. Dann haben wir einen Thronfolger, so Gott will, und alle Neider werden schweigen. Es soll nicht zum Schaden des Deutschen Ordens sein.«
    Engelbert vergrub den Kopf in den Händen. Prag war zurzeit eine leichte Beute, unmöglich gegen ein geordnetes Heer zu verteidigen. Die Wittelsbacher und die Habsburger würden sich zusammentun und in weniger als zwei Wochen vor den Toren stehen. Wenn sich der König dann nicht zeigte, war Böhmen verloren. Karl verfügte über kein Heer, das einen Krieg gegen die zwei mächtigsten Dynastien des Reiches gewinnen konnte. Und Karls Onkel, der Bischof von Trier, würde sich niemals auf ein böhmisches Abenteuer einlassen. Er würde abwarten und dann dem Sieger seine Stimme geben, wenn sie nur ausreichend versilbert war. Der Deutsche Orden konnte vielleicht sechshundert Ritter aufbieten, die aber mindestens vier Wochen brauchten, um von Riga, Kreuzburg oder Marienburg nach Prag vorzustoßen. Die Kommenden in Böhmen und im Reich waren jeweils mit höchstens zwei oder drei Rittern besetzt, ihre Zahl war nicht der Rede wert.
    Engelbert hob den Kopf. »Wir sollten die Königin in Sicherheit bringen. Auf die Marienburg. Dort wagt niemand, sie anzugreifen. Und wenn es einen Thronfolger gibt, können wir zurückschlagen. Wir müssen Zeit gewinnen, sonst ist die Krone verloren.«
    Montfort nickte unsicher. »Ich befürchte, Ihr habt Recht. Sprechen wir mit Anna.«
    Montfort führte Engelbert zur Königin und trug ihr das Anliegen vor. Anna war bleich, aber gefasst. Engelbert erkannte die junge Frau, die vor wenigen Wochen mit glühenden Wangen gekrönt worden war, kaum wieder. Es war, als wäre sie in Tagen um Jahre gealtert. Trotz der weiten Gewänder wölbte sich ihr Bauch hervor, es war

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