Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
du?«
Der Mann glotzte. Bohumir gab ihm einen Stüber in die Seite. »Wenzel heiße ich, mein Herr.«
Grün verfärbte Zähne bleckten Engelbert an, fauliger Atem schlug ihm entgegen. »Wenzel! So wie der Schutzheilige deines Landes. So wie dein König getauft wurde. Woher kommst du?«
»Aus Ratay.«
»Soso.« Engelbert umkreiste den Mann, dem der Schweiß aus allen Poren ausbrach. »Wenzel aus Ratay. Ich mache dir einen Vorschlag: Du erzählst mir alles, was du weißt. Ich sorge dafür, dass dein Tod ein schneller und ehrenvoller sein wird. Durch das Schwert.« Engelbert blieb stehen. »Und du sparst dir die Torturen der peinlichen Befragung. Nun, was sagst du?«
Der Mann schwitzte noch mehr. »Kylion Langenmann. Er hat uns angeheuert. Er hat gesagt, wir müssen sie am Leben lassen, bis er sie gegen andere Ware eintauschen kann.«
»Wo steckt Langenmann?«
»Keine Ahnung, Herr. Er war vor zwei Wochen hier, um nach dem Rechten zu sehen. Seither nicht mehr.«
»Und wo wollte Langenmann sich für den Tausch der Waren treffen?«
»Ganz in der Nähe. An dem Wegkreuz bei Pruhonice an der Straße nach Prag.«
***
Karl schwitzte. Er hatte Durst, seine Zunge war angeschwollen, immer wieder musste er an einen kühlen See denken, in den er hineinsprang und den er in einem Zug leer trank. Und er hatte Angst! Aber er konnte sie nicht zeigen. Die Männer durften nicht an seiner Zuversicht zweifeln.
Der Gestank war inzwischen kaum noch erträglich, die Hitze schien nicht nachzulassen. Sie wurden hier unten gebacken wie Brote in einem riesigen Ofen.
Die Männer hatten ihre gepolsterten Wämser abgelegt und mit ihnen den Gang verbarrikadiert, als behelfsmäßigen Schutz gegen die Hitze. Zwei Männer waren in Ohnmacht gefallen, Karl hatte befohlen, sie aus der vordersten Reihe zu ihm zu bringen. Er räumte seinen Platz, damit sie sich erholen konnten, obwohl die anderen Männer ihm abrieten, ihn beschworen, sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben.
Das Wasser und der Wein, den sie mitgenommen hatten, waren längst getrunken. Viel war es nicht gewesen.
Karl fuhr mit den Fingern über das Mauerwerk. Die Wände des Gangs schwitzten, eine Folge des Feuers, das über ihnen tobte. Er gab den Befehl, die Feuchtigkeit mit Lappen aufzufangen. Es war zu wenig, schmeckte widerwärtig, und trotzdem spendete jeder Tropfen einen Augenblick Leben. Und wieder weigerte sich Karl, bevorzugt zu werden.
Er leckte sich den Schweiß von den Lippen. Viel länger konnten sie nicht in dem Gang ausharren. Der Durst würde sie irremachen. Inzwischen musste der Tag angebrochen sein. Ob Matyas schon mit den Soldaten eingetroffen war? Zu dumm, dass er nicht sehen konnte, was draußen vor sich ging! Er hatte seinen Feind unterschätzt. Wie ein Anfänger war er in die Falle getappt. Er hatte damit gerechnet, angegriffen zu werden, wenn er in die Burg eingerückt war, also von den Feinden umstellt und belagert zu werden. Deshalb hatte er Matyas angewiesen, einen Tag nach ihm aufzubrechen und ihm zu Hilfe zu kommen. Seine Männer wären dem Feind in den Rücken gefallen.
Wenn die Burg nicht von dem Baumeister erbaut worden wäre, dessen Pläne Karl im königlichen Archiv gefunden hatte, dann wäre er elendiglich verbrannt. »Herr, vergib mir meine Überheblichkeit«, flüsterte er.
Plötzlich fiel ihm auf, dass die Hitze nachgelassen hatte. Er dankte dem Herrn im Himmel stumm. Doch noch war die Gefahr nicht vorüber. Gott allein wusste, was sie draußen erwartete!
Trotzdem beschlossen sie, es zu wagen. Der Plan war einfach: Zuerst würden sie den Ausgang frei machen. Dann würden sie, mit Karl in ihrer Mitte, Richtung Wald losstürmen. Jedem Einzelnen sah Karl noch einmal in die Augen. Alle waren fest entschlossen, ihren König mit ihrem Leben zu beschützen.
Am Ende des kurzen Gangs war eine Mauer, die absichtlich so gebaut war, dass man sie mit bloßen Händen einreißen konnte. Karl gab das Zeichen. Die Männer durchbrachen die Mauer, Steine kollerten über den Boden, fahles Licht flutete in den Gang.
Ein Dornengestrüpp versperrte ihnen den Weg. Mit ihren Schwertern schlugen sie sich den Weg frei und standen bald darauf außerhalb der Burgmauer auf freiem Gelände. Es war Tag. Schwarze Wolken hingen tief über den Hügeln, sodass düsteres Zwielicht herrschte. Es stank nach kaltem Rauch und verbranntem Fleisch.
Ohne zu zögern, setzten sie sich in Richtung des Waldsaums in Bewegung. Sie mussten schnell sein. Denn womöglich hatten ihre Feinde
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