Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
blieb nicht genug Zeit. Bevor ich etwas sagen konnte, hattet Ihr schon das Schwert in der Hand.« Romerskirch ließ langsam seine Hände sinken.
»Was wollt Ihr? Warum stört Ihr mich?« Engelbert legte seinen Umhang wieder an und schob das Schwert in die Scheide, aber nicht bis zum Heft. Falls er schnell reagieren musste, gab ihm das einen kleinen, aber entscheidenden Zeitvorteil.
Romerskirch atmete einmal tief ein und wieder aus. »Ich wollte unter vier Augen mit Euch sprechen. Es ist wichtig.«
Engelbert verlagerte sein Gewicht ein wenig nach hinten, sodass er jederzeit sein Schwert ziehen und dabei nach vorne schnellen konnte. »Sprecht!«
»Es geht um das Weib. Ist Euch nicht aufgefallen, dass die angebliche Amalie Severin eine Jüdin ist? Gerade vorhin hat sie es mir wieder bewiesen. Die Art, wie sie beim Abendessen das Fleisch vermieden hat, weil es vom Schwein kam. Und wie sie sich ständig die Hände wäscht.«
Engelbert lachte spöttisch. »Sie ist nun einmal reinlich. Das schadet niemandem.« Er wurde ernst. »Wie erklärt Ihr Euch, dass sie an unseren Gottesdiensten teilnimmt? Wisst Ihr nicht, dass eine Jüdin das nicht könnte?«
»Da irrt Ihr Euch. Juden sind zu allem fähig.« Er spuckte auf den Boden. »Zu allem!«
»Euer Wissen über das Judentum beeindruckt mich«, gab Engelbert scharf zurück. »Wie kommt es, dass Ihr Euch so gut auskennt? Seid Ihr am Ende selbst Jude?«
Erstaunlicherweise blieb Romerskirch ruhig. »Ich weiß, dass ich manchmal über die Stränge schlage«, sagte er versöhnlich. »Und ich gebe auch zu, dass mich dieses Weib mehr als einmal bis aufs Blut gereizt hat. Aber das wäre mir gleich, wenn ich nicht wüsste, dass sie eine Verschwörung gegen meinen König im Schilde führt.«
»Ich lege meine Hand für sie ins Feuer. Sie will dem König kein Übel.« Der erste Satz zumindest entsprach der Wahrheit.
»Und warum haben wir dann noch nichts von Karl gehört? Es ist fast eine Woche her, dass wir aufgebrochen sind.«
»Vielleicht erwarten uns seine Truppen in Rothenburg.«
»Wenn Ihr das glaubt, seid Ihr einfältiger, als ich dachte.« Romerskirch kam einen Schritt näher, erst jetzt fiel Engelbert auf, dass er eine Hand hinter dem Rücken verborgen hielt. »Ich werde Euch sagen, warum: weil diese Amalie eine jüdische Hexe ist und alle Brieftauben getötet hat. Sie ist ihnen hinterhergeflogen, hat sie in der Luft zerrissen und ihr Blut getrunken. Sie ist eine Braut des Teufels! Wie sonst könnte sie alles behalten, was sie jemals gesehen hat, und nicht verrückt darüber werden?« Romerskirchs Stimme wurde schrill. »Und Ihr macht gemeinsame Sache mit dieser Verräterin.«
»Seid Ihr von Sinnen, Matyas? Glaubt Ihr, Karl hätte mich losgeschickt, wenn er auch nur den geringsten Zweifel an meiner Treue hätte?«
»Ihr seid nicht der Erste, der sein Vertrauen missbraucht.« Matyas wich zwei Schritte zurück, seine Hand schnellte nach vorn, eine Taube zappelte darin.
»Was habt Ihr vor?«, fragte Engelbert und umfasste den Schwertgriff fester.
»Karl muss wissen, dass eine Jüdin drauf und dran ist, die heiligste aller Reliquien zu stehlen. Und dass Ihr ihn belogen habt.« Romerskirch starrte Engelbert an. »Ihr werdet beide einen qualvollen Tod sterben. So wie es sich für Verräter geziemt.« Er öffnete seine Hand und gab die Taube frei.
D ER D RACHENTÖTER
M ÄRZ 1350/N ISAN 5110
Johanns Beine kribbelten vor Ungeduld. Er hatte gehofft, di Falcone allein zu Hause anzutreffen, doch stattdessen war eine Gruppe von Studenten bei ihm, um eine Vorlesung zu hören, die der Magister aus Italien auch nicht unterbrach. Inzwischen dunkelte es, eine Magd hatte Lichter entzündet und war lautlos wieder verschwunden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beendete di Falcone die Lektion mit einer Hausaufgabe: »Jeder von Euch schreibe ein Traktat über die Gnade Gottes, die er erweist, wenn er die Menschen aus der irdischen Existenz abberuft. Und es sollen nicht weniger als vier Seiten sein!«
Die Studenten stöhnten, Johann hingegen war froh, dass di Falcone endlich zum Ende gekommen war und sich ihm zuwandte.
»Johann, mein Freund! Ihr macht ein Gesicht, als sei es meine Aufgabenstellung gewesen, Euch vom Leben abzuberufen!« Er lachte dröhnend und schlug ihm eine Hand so derb auf die Schulter, dass Johann ein wenig in die Knie ging. Di Falcone wurde ernst. »Was ist geschehen?«
»Es heißt Abschied nehmen. Ich muss abreisen.«
»Mein bester, weil einziger Schüler der
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