Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
ist wichtig.«
»Aber die Prozession …«
Montfort zog einen Beutel unter seiner Soutane hervor, griff hinein und zog einen Federklumpen hervor. »Ich weiß jetzt, warum wir keine Nachricht von Matyas Romerskirch oder von Engelbert von der Hardenburg erhalten haben.« Er hielt den Federklumpen hoch. »Diese Brieftaube hatte eine Glocke an ihrem rechten Bein, die sie anscheinend im Kampf gegen einen Falken verloren hat. Das Lederbändchen ist gerissen, mit dem die Glocke an ihrem Bein befestigt war. Diese Glöckchen sollen gegen Falken helfen, und das tun sie auch meistens, denn das Gebimmel vertreibt sie. Es sei denn, die Falken sind speziell auf diese Glöckchen abgerichtet. Ich habe herausgefunden, wer diese Art Falken besitzt, denn sie sind äußerst selten und sehr wertvoll.«
»Abt Fulbach natürlich!«, sagte Karl tonlos.
»So ist es.«
»Das ist ja furchtbar.« Karl seufzte. Der Tag hatte so gut angefangen, und jetzt ballten sich schwarze Wolken am Horizont zusammen.
»Es ist schlimmer als furchtbar.« Montfort stopfte die Taube wieder in den Sack und reichte Karl ein winziges, hauchdünnes Stück Pergament.
Karl erkannte sofort, dass das Pergament nicht vollständig war, etwa die Hälfte fehlte. »Habt Ihr die Botschaft entschlüsselt?«
Montfort nickte und zog ein zweites Pergament hervor.
Karl überflog den kurzen Text. Mein König. Endlich haben wir das Rätsel gelöst. Wir wissen, wo die Reliquie versteckt ist. Wir brechen noch heute auf. Schickt Männer nach … An der Stelle brach die Nachricht ab.
»Sie haben bestimmt nicht nur eine Taube mit dieser wichtigen Botschaft losgeschickt. Fulbach hat mit Sicherheit die anderen abgefangen«, sagte Montfort, und seine Stimme zitterte leicht.
»Also könnte es sein, dass Fulbach weiß, wo die Reliquie ist. Wir aber wissen es nicht.«
Montfort schwieg.
Karl lehnte sich gegen die Wand. Was nutzten ihm die Reichskleinodien, wenn sein Todfeind in den Besitz der einen Reliquie gelangte, die ihm absolute Macht verlieh? Das durfte nicht sein. Das konnte nicht Gottes Wille sein.
Karl reichte Montfort die beiden Pergamentfetzen. »Schickt sofort zehn Männer der Garde nach Pasovary. Fulbach muss irgendwo nördlich der Burg auf der Lauer gelegen haben. Sonst hätte er die Tauben nicht abfangen können. Durchsucht zuerst alle Benediktinerklöster. Er muss Spuren hinterlassen haben. Die Männer sollen jeden Stein umdrehen. Alle Bewohner der umliegenden Dörfer müssen sich an der Suche beteiligen. Sie sollen Tauben mitnehmen. Auch für Nürnberg. In vierzehn Tagen beginnt dort der Reichstag, wir wollen morgen aufbrechen.«
»Herr, soll ich das Heer zusammenrufen?«
»Nein. Gegen die Macht der Reliquie helfen weder Stahl noch Feuer. Wenn wir zu spät kommen, wird die Welt im Chaos versinken, die Hölle wird über die Erde herrschen. Die Apokalyptischen Reiter werden über uns herfallen, und im Gegensatz zur großen Pestilenz werden sie niemanden verschonen.«
***
Der Frühling hatte Einzug gehalten, doch der Winter war noch nicht vertrieben. In den Tälern blühten Schneeglöckchen, Huflattich und Gänseblümchen. Aber die Höhenzüge glänzten nach wie vor in grellem Weiß. Sie hatten die Kraft des Winters unterschätzt, der sich ihrem Fortkommen immer wieder in den Weg stellte. Dort, wo weder Schneewehe noch Eisfeld die Straße unpassierbar machten, hatte Schmelzwasser die Bäche anschwellen lassen, sodass sie große Umwege gehen mussten. Den sechsten Tag waren sie bereits unterwegs, und heute Morgen erst hatten sie Regensburg passiert. Engelbert hatte gehofft, dass der König ihm einen Boten schicken würde, doch entweder hatte dieser sie nicht ausfindig gemacht, oder Karl hielt es für unnötig. Oder, die schlimmste aller denkbaren Erklärungen, die Brieftauben waren nicht angekommen.
Engelbert unterdrückte einen Fluch. Obwohl nicht mehr viele Tauben übrig waren, hatte er nach langem Zögern zwei geschickt, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der König die Nachricht auch bekam. Er brauchte Verstärkung. Er war sicher, dass Fulbach ihm irgendwo auflauerte und spätestens dann zuschlagen würde, wenn sie ihr Reiseziel erreicht hatten. Aber selbst ein Dutzend Tauben hätten keine absolute Sicherheit versprochen.
Vielleicht würde Fulbach aber auch warten, bis sie die Reliquie in den Händen hielten. Das würde ihm viel Arbeit ersparen. Zumal es mindestens noch ein Rätsel zu lösen gab. Der Spruch, den sie so mühsam entschlüsselt hatten,
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