Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Rückkehr lange genug hinausgezögert, doch nun ließ sie sich nicht mehr aufschieben. Zumindest wusste er, dass Rebekka lebte. Er würde weiter nach ihr suchen, doch zuerst musste er sich um seine Familie kümmern, die ihn sehnsüchtig erwartete. Sein Vater brauchte Hilfe bei den Geschäften, und Agnes erwartete ein Kind. Er wurde Vater! Er würde seinen Eltern schonend beibringen müssen, dass er keine Zukunft für sich in Rothenburg sah. Die Vorstellung, den Menschen, die er liebte, Kummer zu bereiten, schmerzte ihn, doch sein Entschluss stand fest.
Johann lief durch die Straßen von Prag, die ihm so vertraut geworden waren. Seine Sachen hatte er bereits gepackt und abgeliefert. Von Schmul und seiner Familie hatte er sich verabschiedet, Tränen waren geflossen. Auch Dietz ließ ihn nur ungern ziehen.
Der Handelszug würde zehn Tage bis Nürnberg brauchen. Zwanzig Wagen voller wertvoller Gewürze, fünfzig Mann in Waffen: eine sichere Passage.
Kurz nachdem er zu seinen Reisebegleitern gestoßen war, ging es los. Vom Altstädter Ring aus zogen sie über die Brücke auf die Kleinseite, dann wandten sie sich nach Westen. Johann ließ sich zurückfallen, warf noch einen Blick auf die Prager Burg und die Dächer der Altstadt. Dann sprengte er an die Spitze des Zuges, denn ab jetzt war sein Platz immer da, wo es nach vorn ging.
Der Zugführer nickte ihm zu, Johann lenkte sein Pferd an seine Seite. Die Lederharnische der Söldner knirschten, die Pferde schnauften, das frisch gefettete Leder der Geschirre duftete würzig, und gelegentlich drang ein saftiger Fluch an Johanns Ohren, wenn die Wagenlenker ihre Tiere antrieben.
Schon bald war Prag außer Sicht, hier und da kamen sie an einem Gehöft vorbei. Als die Sonne sich senkte, hatten sie immerhin sieben Meilen zurückgelegt, ein Sechstel der Strecke. Ging es weiter so gut voran, würden sie vier Tage früher in Nürnberg eintreffen.
Auf einer Lichtung errichteten sie das Lager. Für alle gab es einen kräftigen Eintopf mit roten Rüben, Hühnerfleisch und Brot. Die Nacht war klar, es wurde kalt, schon flackerten die ersten Lagerfeuer auf. Johann wurde schläfrig; die Wärme des Feuers, das gute Essen und die Anstrengung der Reise taten ihre Wirkung. Er wickelte sich in seine Decke, und bevor er einschlief, erschien Rebekkas Gesicht vor seinen Augen. Würde er sie jemals wiedersehen?
»Johann von Wallhausen! So wacht doch auf!«
Es war sein Name, kein Zweifel, und es war die Stimme des Zugführers. Johann rieb sich die Augen, es war tiefe Nacht, die Feuer waren heruntergebrannt, die Glut schimmerte rötlich, die Mondsichel spendete schwaches Licht. Er war eingeschlafen, ohne es zu merken.
»Ein Bote für Euch. Aus Prag.«
Johann war sofort hellwach, warf die Decke zur Seite und sprang auf. Ein Mann, der aussah wie ein verwitterter Baum, trat hervor, reichte Johann einen Brief, wandte sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Hastig faltete Johann das Pergament auseinander und überflog die Zeilen. Eine Nachricht von Schmul. Sein Herz klopfte wild.
Mein lieber Freund! Soeben ist eine verspätete Taube von unserem Gewährsmann in Krumlov eingetroffen. Eure Rebekka ist gesehen worden, sie hat den Winter auf einer Burg namens Pasovary verbracht. Vor wenigen Tagen ist sie mit einem Aufgebot der königlichen Garde von dort aufgebrochen, und zwar nach Rothenburg. Aber sie werden verfolgt von einem furchtbaren Feind: Fürstabt Rupert Fulbach. Der Mann, der versucht hat, den König zu ermorden, hat sich mit seinen Männern auf ihre Fährte gesetzt. Du musst sie warnen. Zögere nicht einen Wimpernschlag! Möge unser aller Herr dich beschützen!
Johann wandte sich dem Zugführer zu. »Ich brauche zwei Reiter, ich bezahle gut.«
»Das ist nicht möglich. Wir können nicht ein Schwert entbehren. Wenn Ihr aufbrechen wollt, kann ich Euch nicht daran hindern. Ihr könnt auch Vorräte mitnehmen, schließlich habt Ihr dafür bezahlt. Aber Männer bekommt Ihr nicht.«
»Dann soll es so sein.« Ohne ein weiteres Wort sattelte Johann sein Pferd, packte Vorräte zusammen und saß auf. Er musste Rebekka finden, bevor Abt Fulbach sie fand, sonst war sie verloren. Diesmal würde er sie nicht im Stich lassen, und wenn es ihn sein Leben kostete.
***
»Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Fulbach schlug das Kreuz. »Ich segne Euch im Namen des Herrn. Frohlocket, denn er hat Euch ausgewählt, sein Reich zu verteidigen, er hat Euch die unvorstellbare Gnade
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