Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Karl lächelte ihn an. »Lasst Euch frische Pferde und Verpflegung geben. Richtet Schmul ben Asgodon aus, der Dank des Königs sei ihm sicher.«
Der Bote zog sich zurück, Montfort trat hinter dem Vorhang hervor, hinter dem er das Gespräch mit angehört hatte.
»Wir müssen noch heute nach Rothenburg aufbrechen«, sagte Karl. »Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«
»Mein König, Ihr dürft nicht mitreiten. Habt Ihr nichts gelernt? In Pasovary seid Ihr nur um Haaresbreite dem Tod entronnen.«
Karl griff sich an den Hals. Wieder stieg ihm der Brandgeruch in die Nase, wie immer, wenn er an die Feuerfalle dachte und an die Stunden in dem unterirdischen Backofen.
»Es ist gefährlich«, stimmte er zu. »Genauso gefährlich wie die Reise durch ein von der Pestilenz heimgesuchtes Land. Und dennoch tun wir es. Haben wir Angst? Ja. Haben wir eine Wahl? Nein! Und glaubt uns, Montfort, lieber sterben wir im Kampf, als im Bett zu vermodern.«
***
»Seht Ihr dort hinten?« Rebekka zeigte nach Norden. »Der kleine Glockenturm, der direkt auf das Dach aufgesetzt ist?« Das ist die Marienkapelle. Aber sie hat nicht immer so geheißen. Hinter dem Altar ist eine Inschrift in die Wand eingemeißelt. Und darauf steht, dass sie einst St. Georg geweiht war.«
Die untergehende Sonne stand dicht über dem Horizont und warf lange Schatten über das Land. Engelbert hatte angeordnet, am Waldrand auf einer Anhöhe zu rasten, bis es dämmerte, und erst dann die Kapelle abzusuchen. So liefen sie weniger Gefahr, dass sie beobachtet wurden und sich herumsprach, dass fremde Ordensritter die Kapelle besetzt hatten.
Engelbert hob eine Hand an die Augen. »Ich denke, wir können jetzt aufbrechen. Bis wir dort sind, ist die Dämmerung bereits weit fortgeschritten, aber es ist noch nicht dunkel. Vielleicht brauchen wir einen Rest Tageslicht, um die Reliquie zu finden.«
Sie standen auf einer Erhöhung, von der aus sie die Landschaft überblicken konnten. Die Kapelle duckte sich in eine Senke unterhalb eines Wegkreuzes, das von hier aus nicht zu sehen war.
Rebekka hoffte, dass sie sich nicht irrte. Es erschien ihr merkwürdig, dass ein so großer Schatz der Christenheit in einer so unbedeutenden Kapelle aufbewahrt wurde.
Engelbert wandte sich an Bohumir. »Was sagen die Späher?«
»Alles ruhig.«
»Etwas zu ruhig«, entgegnete Engelbert. »Ich traue dem Frieden nicht.«
»Welcher Krieger traut schon dem Frieden?«
Engelbert hob eine Braue, doch er erwiderte nichts. Er gab ein Handzeichen, und alle saßen auf. »Möge Gott uns beistehen«, rief er und gab seinem Pferd die Sporen.
Wenig später erreichten sie die Kapelle. Einer der Männer ging etwas oberhalb an der Landstraße in Stellung, die anderen betraten das kleine Gotteshaus, verriegelten die einzige Tür hinter sich und sicherten Eingang und Fenster.
Angespannt sah Rebekka sich um. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an das trübe Licht. Die Kapelle besaß zwar ein Gewölbe, trotzdem wirkte die Decke so niedrig, dass es schien, als könne man sie mit bloßen Händen berühren. Die Wände waren schmucklos bis auf einige Fackelhalter. Am anderen Ende des Gebäudes, gegenüber der Eingangstür, stand ein schlichter Tisch aus Stein, der Altar, und dahinter verdeckte eine dreiteilige, in leuchtenden Farben bemalte hölzerne Tafel die Wand.
»Lasst uns den Altar untersuchen, Rebekka.« Bohumir nickte ihr aufmunternd zu.
Engelbert war bereits vorangegangen und stand vor der Holztafel. Von Johann wusste Rebekka, dass sie Retabel genannt wurde. Beim Näherkommen erkannte sie, dass die Bilder, die das Retabel schmückten, nicht nur aufgemalt, sondern zuvor in das Holz geschnitzt worden waren.
Bohumir zeigte auf einen Soldaten, der gerade ein Tier tötete, das aussah wie eine riesige Schlange. »Das ist der heilige Georg. Er hat uns hierhergeführt. Hoffentlich gibt er sein Geheimnis preis.«
Rebekka betrachtete die übrigen Figuren. Auf der mittleren Tafel war die Kreuzigung Jesu Christi dargestellt, links davon schwebte eine Frauengestalt über einer lieblichen Landschaft, die Mutter des Erlösers, die ihren Sohn von Gott empfangen und als Jungfrau geboren hatte. Auf dem rechten Bild speiste Jesus Christus mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Tod.
Der Heiligenschein des Gekreuzigten schien zu leuchten. Seine Gesichtszüge entsprachen nicht dem, was er an Schmerzen erleiden musste, im Gegenteil. Er schaute, als sei er zufrieden, als habe er erreicht, was er erreichen
Weitere Kostenlose Bücher