Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
gewährt, all Eure Sünden auszulöschen.«
Die Männer, die vor ihm knieten, murmelten ein undeutliches »Amen«, dann erhoben sie sich und suchten sich einen Platz für die Nacht.
Fulbach starrte ihnen hinterher. Neun Ritter, wackere Kämpfer, jung und von Gott beseelt. Dreißig Schwertkämpfer, ohne Pferd, aber mit guter Lederrüstung, siebzehn Bogenschützen, allesamt mit Langbogen versehen. Und ein gutes Dutzend Lanzenträger. Damit war er von der Hardenburg eins zu fünf überlegen. Er winkte Jaroslav zu sich. »Sie lagern zwei Meilen vor der Stadt? Seid Ihr sicher?«
»Sie haben sogar Feuer brennen. Sie sind meilenweit zu sehen. Außerdem habe ich Ihnen unsere besten Späher auf die Fährte gesetzt.«
Fulbach musste die Leistung dieser Männer anerkennen. Sie hatten von der Hardenburg nicht verloren, obwohl er vor drei Tagen plötzlich, wie vom Teufel gehetzt, am späten Abend das Lager abgebrochen hatte und in größter Eile weitergezogen war. Es war mehr eine Flucht als ein Aufbruch gewesen. In der Nähe des Lagers hatten sie einen toten Ritter und eine tote Brieftaube gefunden, doch keinen Hinweis darauf, was vorgefallen war. »Wir dürfen uns keine Fehler leisten, Jaroslav.«
»Selbstverständlich, Herr. Sie sitzen in der Falle«, sagte Jaroslav mit ruhiger Stimme.
Hätte er Jaroslav doch nur früher eingesetzt! Er hatte sich als absolut treu erwiesen. Aber vor allem konnte er mitdenken, konnte eigene Pläne entwickeln, die auch funktionierten. Jaroslav hatte ihm klargemacht, dass es zwei Möglichkeiten gab: Von der Hardenburg ritt in die Stadt, weil die Reliquie dort versteckt war. In dem Fall musste er vorher abgefangen und dazu gebracht werden, das Geheimnis preiszugeben. Oder er blieb vor den Toren, weil sich das Versteck der Reliquie außerhalb der Stadtmauern befand. In dem Fall würden die Späher von der Hardenburg und seine Leute lediglich verfolgen und erst zuschlagen, wenn sie die Reliquie gefunden hatten.
»Wir müssen uns aufteilen, Jaroslav. Und Waffen und Rüstung verbergen. Die Rothenburger mögen es nicht, wenn zu viele fremde Krieger auf ihrem Land unterwegs sind.«
»Wer mag das schon, Herr?«, erwiderte Jaroslav trocken.
Rupert Fulbach schürzte die Lippen. Doch er verzieh Jaroslav seine unbotmäßige Bemerkung. »Bereitet alles vor. Der Tag der Entscheidung ist gekommen.«
***
Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Schon vor Sonnenaufgang hatte Engelbert sie geweckt. Rebekka konnte kaum aufstehen, so sehr schmerzten ihre Glieder. Nach der langen Winterrast auf Pasovary waren die vielen Stunden jeden Tag im Sattel ungeheuer anstrengend gewesen. Mehr als eine Woche waren sie schon unterwegs, nun hatten sie ihr Ziel fast erreicht. Gerade als die Sonne in ihrem Rücken emporstieg, zeichneten sich am Horizont die Türme von Rothenburg ab.
Alles in Rebekka sträubte sich dagegen, und alles in ihr wollte es: heimkehren. Ihr Herz schlug heftig, Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Engelbert von der Hardenburg reckte die Faust hoch. Wie von selbst parierte Rebekka Vila durch. Die Kommandos waren ihr in Fleisch und Blut übergegangen.
Der Ordensritter lenkte sein Pferd neben Vila. »In Rothenburg müsst Ihr die Gugel tief ins Gesicht ziehen, damit Euch niemand erkennt. Wir werden in unserer Kommende unterkommen. Dort seid Ihr sicher.«
Seine Lippen waren schmal und hart, so, als hätte er Schmerzen. Vielleicht war die Verletzung doch schwerer, vielleicht eiterte sie.
»Lasst mich Euren Arm sehen«, sagte Rebekka. »Habt Ihr Schmerzen?«
Von der Hardenburg hob die Augenbrauen. »Schmerzen habe ich, ja, aber nicht in meinem Arm.« Er winkte ab. »Das muss Euch nicht interessieren, es gibt Wichtigeres. Wir sind noch lange nicht am Ziel.«
»Diese verfluchte Reliquie …« Rebekka schlug sich die Hand vor den Mund. »Verzeiht. Ich wollte Euren Gott nicht schmähen und auch nicht Euren Glauben.«
Von der Hardenburg sagte nichts, schaute sie nur an. Endlich ergriff er das Wort. »Ihr werdet niemals unter Christen leben können, Rebekka bat Menachem«, flüsterte er. »Das Schicksal hat Euch zur Jüdin gemacht und mich zum christlichen Ordensritter. So ist es nun einmal, und weder ich noch Ihr haben die Macht, es zu ändern. Solltet Ihr es versuchen, werdet Ihr untergehen, denn niemand kann sich gegen das Schicksal wenden, das Gott ihm bestimmt hat, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.« Ein schwaches Lächeln ließ sein Gesicht kurz warm aufleuchten. »Und jetzt genug gepredigt.
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