Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
an sein Herz. »Ihr werdet noch sehen, dass das Wort eines von der Hardenburg mehr wert ist als zehn gesiegelte Verträge.«
***
Kylion Langenmann wälzte sich von der Hure. Er war auf ihr eingeschlafen, und sie hatte nicht gemuckt, so, wie er es ihr befohlen hatte. Dafür bekam sie einen Heller extra.
Der Ausrufer hatte ihn geweckt. Ein Handelszug aus Nürnberg war eingetroffen und mit ihm hoffentlich Neuigkeiten, die er zu Geld machen konnte. Er warf der Hure sechs Münzen hin, ein guter Lohn für gute Arbeit, zog sich an und verließ das Haus der Hübschlerinnen durch den Hinterausgang.
Wie üblich begann er im Gasthaus »Zum Hirschen«. Da stiegen die Ochsentreiber ab, soffen sich nach einem langen Marsch den Verstand aus dem Schädel und erzählten, ohne dass er sie dazu ermuntern musste. Als die erste Schlägerei begann, zog er weiter zum »Bären«, einem etwas besseren Haus, in dem die Fuhrleute logierten. Sie soffen zwar auch, aber sie hörten in der Regel auf, bevor sie nicht mehr stehen konnten oder die Messer gezogen wurden.
Er nahm in der Mitte des Schankraumes Platz, bestellte Wein und fing auf, was die Leute von sich gaben. Ein Mann, der offensichtlich mit dem Händlerzug aus Nürnberg gekommen war, prahlte damit, dass er eigenhändig eine Räuberbande in die Flucht geschlagen und dabei einen Mann des Königs gerettet habe. Das klang interessant. Kylion spitzte die Ohren. Ein anderer Fuhrknecht schlug mit der Faust auf den Tisch und entgegnete, er solle nicht so angeben, weil er allenfalls ein Rudel Wölfe in die Flucht geschlagen hätte, das sich an den armen Seelen gütlich tun wollte.
Der Erste beharrte aber darauf, dass sie nachweislich einen Ritter des Deutschen Ordens, der mit einem Empfehlungsschreiben von König Karl höchstselbst ausgestattet gewesen sei, aus den Klauen des Todes gerettet hätten.
Doch auch diese Variante ließ sein Kumpel nicht durchgehen. »Du bist ein echter Großsprecher, du!«, lallte er betrunken. »Gerettet hat den Ordensritter die feine junge Dame, die ihn den ganzen Weg bis hierher gepflegt hat. Du wolltest noch nicht einmal warten, bis wir die armen Leute begraben hatten, so schnell wolltest du von da fort, du Hosenschisser!«
Gelächter brandete auf, die Leute rieben sich die Hände in Erwartung einer deftigen Auseinandersetzung. Auch Kylion rechnete fest damit, dass sich die beiden jetzt prügeln würden, aber der Geschmähte winkte nur ab, setzte sich und glotzte mit glasigen Augen in seinen Humpen.
Der andere setzte derweil seine Rede fort. »Das war eine vornehme junge Dame. Allein wie sie gesprochen hat! Viel den Mund aufgetan hat sie aber nicht. Nicht unsereinem gegenüber jedenfalls. Und ansehnlich war sie auch.« Der Mann formte mit den Händen die Konturen eines weiblichen Körpers nach, wobei sein Bier auf den Boden schwappte. »Und ein Gesicht wie ein Engel.« Er trank einen Schluck.
Alle hingen an seinen Lippen, denn es war offensichtlich, dass er auf den Höhepunkt der Geschichte zusteuerte. Kylion hätte lieber mehr über den königlichen Gesandten gehört, doch er hielt sich zurück.
»Und dann war das Weibsstück plötzlich weg, kaum dass wir das Stadttor von Prag passiert hatten. Einfach so. Ohne sich zu verabschieden.« Der Fuhrknecht setzte seinen Humpen erneut an die Lippen, bevor er weitersprach. »Diese Dame war vielleicht doch nicht so fein. War wohl eine Hübschlerin, die den Ordensritter mit ihren ganz besonderen Fähigkeiten gepflegt hat. Für so eine Pflege würde ich mir auch einen Armbrustbolzen durch das Bein jagen lassen.«
Die Zuhörer grölten zustimmend.
»Und was für einen Namen die hatte«, sprach der Fuhrknecht weiter. »Der war bestimmt erfunden.«
Kylion nahm einen Schluck Wein und beugte sich vor. Die Frau interessierte ihn mit einem Mal doch.
»Amalie Belcredi«, verkündete der Mann. »Hat es einer von euch schon mal mit einer Hure mit einem so vornehmen Namen getrieben? Amalie Belcredi!« Er lachte wiehernd.
Wie ein Wasserfall spritzte der Wein aus Kylions Mund. Amalie Belcredi? Verdammt noch eins! Das war eine Neuigkeit, für die sein Auftraggeber ein ordentliches Sümmchen springen lassen würde!
Kylions Tischnachbarn fluchten über den unerwünschten Weinregen. Er sprang auf und warf ihnen eine Münze hin. Sofort waren sie wieder bester Laune und riefen den Wirt herbei.
Mit zwei Schritten war Kylion bei dem Fuhrknecht, griff ihn an der Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: »Auf ein Wort, guter Mann.
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