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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Willst du dir ein paar Pfennige hinzuverdienen? Wenn ja, dann folge mir einfach nach draußen.«
    Kylion ließ den Mann los und verließ den »Bären«. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich der andere in Bewegung setzte und an seine Fersen heftete.
    Er zog den Mann in eine Seitengasse, hielt ihm eine Silbermünze vor die Nase. »Ich will alles wissen, was du über diese Amalie Belcredi weißt. Aber im Vertrauen. Wenn du irgendwem von unserem Gespräch erzählst, dann stopfe ich dir nicht deine Geldkatze, sondern dein Maul – und zwar für immer. Verstanden?«
    Der Mann schluckte, nickte und erzählte stockend.
    Als er geendet hatte, steckte Kylion ihm die Münze zu, ein Vielfaches seines Monatslohns, und verschwand ohne ein weiteres Wort.
    Während er durch die Gassen in Richtung Stadttor hetzte, wo ein Knecht mit seinem Gaul wartete, drehten sich immer wieder dieselben Gedanken in seinem Kopf. Er hatte nicht nur in Erfahrung gebracht, dass Amalie Belcredi in Prag war, sondern auch, wie sie aussah. Das war kein Zufall. Der Herr im Himmel hatte ihm den Fuhrknecht geschickt. Sein Auftraggeber würde ihm diese Informationen hundertfach vergelten. Aber die Zeit drängte, er durfte keinen Wimpernschlag länger zögern. Kylion erreichte Knecht und Pferd, warf dem Mann eine Münze zu und saß auf. Dann rammte er dem Tier die Sporen in die Seite.
***
    Ein unablässiger Strom von Menschen bewegte sich auf die hölzerne Brücke zu. Es war der einzige Weg, trockenen Fußes über die Moldau zu kommen. Etwa dreißig Schritte neben diesem provisorischen Übergang bauten Arbeiter an einem wuchtigen Tor, das wohl den Zugang zu einer steinernen Brücke markieren würde, die dort entstehen sollte.
    Trotz des Gedränges hielt Rebekka inne und ließ ihren Blick über das andere Ufer schweifen. Ein Hügel erhob sich jenseits des Flusses über die Stadt, der Hradschin, der von einer gewaltigen Burganlage dominiert wurde. Genau in der Mitte der Mauern, Tore und Türme erblickte Rebekka eine zweite Baustelle. Hier entstand offenbar eine Kirche. Rebekka folgte mit den Augen einer gepflasterten Straße, die hinauf zur Burg führte. Rechts und links davon standen unzählige bunte Zelte dicht beieinander. Fahnen mit den Wappen der Ritter, die anlässlich der bevorstehenden Krönung der neuen Königin in die Stadt gekommen waren, wehten im Wind. Von kleinen Feuerstellen stieg Rauch auf, hin und wieder blitzte eine Rüstung oder ein Schwert im Sonnenlicht.
    Am unteren Ende der Straße, unmittelbar am Ufer der Moldau, erhob sich ein weiteres Tor, gesäumt von einer Reihe langer Stangen, auf deren Enden menschliche Köpfe steckten. Einige wirkten, als hätten sie noch vor wenigen Stunden geatmet, andere waren bereits so verwest, dass fast nur noch die bleichen Schädel zu sehen waren, die ihre Zähne wie zu einem letzten Grinsen bleckten. Zum Tode Verurteilte, deren Häupter man den Raben als Futter überlassen hatte, um andere Übeltäter abzuschrecken.
    Unwillkürlich schlug Rebekka das Kreuz, stockte und sah erschrocken auf ihre Hände. War ihr ihre neue Bestimmung als Christin schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen? Hatte sie ihren jüdischen Glauben, hatte sie all das, was ihr einmal wichtig gewesen war, bereits so weit hinter sich gelassen?
    Ein Krämer mit einem Brett voller Knöpfe, Fäden und Schnüre, das er sich um den Bauch gebunden hatte, rempelte Rebekka an, fluchte auf Tschechisch und riss sie damit aus ihren Grübeleien. Hastig reihte sie sich wieder in den Strom der Menschen und betrat die niedrige Holzbrücke. Die Konstruktion zitterte und ächzte unter der Last der vielen Menschen. Rebekkas Herz schlug schneller vor Angst, erneut angestoßen zu werden und in das eisige Wasser der Moldau zu fallen. Sie atmete erst ruhiger, als sie auf der Kleinseite wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
    Wenige Augenblicke später passierte Rebekka die schaurigen Schädel und den großen Turm, der den Zugang zur Kleinseite bewachte. Da sie keinerlei Waren mit sich führte, ließen die Zöllner sie wortlos passieren. Sie beschleunigte ihre Schritte, denn das Geschrei der Raben, die in Schwärmen über den aufgespießten Schädeln kreisten, klirrte unerträglich laut in ihren Ohren.
    Zwischen den bunten Zelten auf dem Hradschin wimmelte es nur so von allen möglichen Gestalten: Huren, Handwerker, Händler, Ritter, Söldner, Wachen und Unmengen Priester und Mönche aller möglicher Orden brüllten, fluchten, lachten und sangen

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