Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
mit seiner entkräfteten Hand auf eine Tasche an seinem Gürtel gedeutet, worin sie einen Beutel Silbermünzen und ein Geleitschreiben des Königs gefunden hatten. Daraufhin hatten die Handelsleute ihm untertänigst zugesichert, ihn wohlbehalten nach Prag zu bringen.
Auch hatten sie eiligst einen Chirurgicus gerufen, der sich die Verletzungen des Mannes angesehen hatte. Er hatte ihn zur Ader gelassen, die Wunden mit Salbe versorgt und Rebekka gezeigt, wie sie die Verbände anlegen musste. Aus irgendeinem Grund war ihr die Aufgabe zugefallen, sich um den Ordensritter zu kümmern, vielleicht, weil sie ihn gefunden hatte, vielleicht auch, weil sie als Einzige im ganzen Zug keine Aufgabe hatte. Jedenfalls lag Engelbert von der Hardenburg nun zwischen den Stoffballen in einem Wagen des Egmund Langurius und ließ sich von Rebekka regelmäßig die Verbände wechseln und die Wunden mit Salbe behandeln.
Als Rebekka den Verband angelegt hatte, ergriff Engelbert ihre Hand. »Was wollt Ihr in Prag, Amalie?«
Rebekka sah ihn erschrocken an. »Ins Kloster. Das sagte ich doch schon.«
»Ihr reist allein mit einer Horde ehrbarer, doch reichlich ungehobelter Kaufleute.« Der Ordensritter sah ihr in die Augen. »Eine sehr ungewöhnliche Art für eine junge Frau, den Schoß ihrer Familie zu verlassen, um eine Braut Christi zu werden.«
Rebekka hielt seinem Blick stand. »Eure Art, im Auftrag des Königs zu reisen, erscheint mir ebenfalls ungewöhnlich.«
Der Mund des Ritters zuckte. »Gut pariert, Amalie Belcredi«, murmelte er und schloss die Augen.
Rebekka dachte schon, er sei wieder eingeschlafen, und wollte behutsam ihren Arm aus seiner Umklammerung lösen, als er plötzlich erneut zupackte.
»Belcredi ist ein gefährlicher Name«, knurrte er.
Rebekka erschrak. Wusste Engelbert von der Hardenburg etwas über ihre Familie? »Aber …«, begann sie.
»Ich an Eurer Stelle«, fuhr von der Hardenburg fort, als hätte er ihren Einwand nicht gehört, »würde ihn in Prag nicht erwähnen. Schlimm genug, dass jeder Fuhrknecht hier im Zug weiß, wie Ihr heißt. Aber das lässt sich wohl nicht mehr ändern.«
»Was ist gefährlich an meinem Namen?«, fragte Rebekka, der es vor Verblüffung fast die Sprache verschlug.
Der Ordensritter winkte ab. »Nennt Euch Severin. Amalie Severin. Das ist sicherer.«
»Aber …« Rebekka wusste nicht, was sie sagen sollte, zu viele Fragen schwirrten ihr im Kopf herum.
»Tassilo Severin ist ein angesehener Kaufmann. Und ein guter Freund von mir.« Von der Hardenburg holte mühsam Luft. Das lange Sprechen schien ihn anzustrengen. »Ihr seid seine Nichte, Amalie, die Nichte des Tuchhändlers Tassilo Severin. Merkt Euch das!«
Rebekka öffnete den Mund, doch Engelbert von der Hardenburg drehte den Kopf weg. Sein Atem ging schwer. Wenig später begann er leise zu schnarchen.
A UGUST 1342/A W 5102
»Zapple nicht so herum! Du musst ein ernstes, feierliches Gesicht aufsetzen und die Hände langsam bewegen. So!« Er berührte mit den Fingern zuerst seine Stirn, dann die Brust und dann beide Schultern.
Rebekka tat es ihm nach, so gut es ging. Sie standen in der Ruine der Burgkapelle, und Johann zeigte ihr, wie ein christlicher Gottesdienst ablief.
Er hatte ihr erzählt, dass die Christen Brot und Wein zu sich nahmen, das sich bei der Wandlung in den Leib und das Blut Christi verwandelten, und Rebekka hatte sich angewidert geschüttelt. »Ihr esst den Leib eures Gottessohnes?«, hatte sie entsetzt gerufen. »Das ist ja abscheulich.«
Johann hatte mit den Schultern gezuckt. »Und ihr schlachtet Säuglinge für eure Blutrituale. Ist das vielleicht besser?«
»Tun wir gar nicht!«
»Der Bäckermeister Humpert hat es erzählt. Er hat es sogar schon beobachtet.«
»Er lügt.« Rebekka hatte sich wütend abgewandt, damit Johann nicht die Tränen sah, die darin brannten. Warum nur erzählten manche Christen so schlimme Dinge über die Juden?
»Schon gut«, hatte Johann gesagt und sanft ihre Schulter berührt. »Ich glaube dir ja. Der Humpert ist ein abergläubischer Dummkopf, das hat Vater letztens gesagt. Er hat nämlich auch behauptet, dass die Liesel vom Hochberghof eine Hexe ist. Und das stimmt nicht, sonst hätte sie längst die dicke Anne verhext, die ihr den Verlobten weggeschnappt hat.«
Rebekka hatte sich wieder zu Johann umgedreht und ihn wortlos angesehen. Ob es tatsächlich Hexen gab? Johann glaubte fest daran, die meisten Christen taten das. Ihr Vater hatte ihr jedoch gesagt, es sei ein
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