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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Aufbruch, und schon setzte sich der kleine Zug in Bewegung. Sie waren zu zwölft: Rebekka, der Ordensritter, sechs Männer der königlichen Leibgarde und vier Hauptmänner der königlichen Wache. Rebekka hatte innerlich vor Freude jubiliert, als sie erkannt hatte, dass einer der Hauptmänner Vojtech von Pilsen war. Er hatte ihr unauffällig zugenickt, und auch sie hatte sich nicht anmerken lassen, dass sie von Pilsen näher kannte. Es war ein gutes Gefühl, unter den Männern einen zu wissen, dem sie vertrauen konnte.
    Die sechs Männer der Leibgarde setzten sich an die Spitze, zwei hielten Fackeln, denn die Morgendämmerung hatte eben erst eingesetzt, einer trug das königliche Banner. Ihnen folgten der Ordensritter und Vojtech von Pilsen, die Rebekka in die Mitte nahmen. Die drei weiteren Hauptmänner bildeten den Schluss. Sie führten je ein Packpferd mit.
    Einen kurzen Augenblick fühlte sich Rebekka wie eine Königin, die mit ihrem Gefolge aufbrach, um ihr Reich zu bereisen. Aber in Wirklichkeit wusste sie nicht einmal genau, was sie im fernen Znaim für den König tun sollte. Es ging darum, in einem Kloster namens Louka eine Reliquie zu besorgen, doch wie dies geschehen sollte und welche Rolle ihr dabei zukam, konnte sie sich nicht so recht vorstellen.
    Im Schritt bewegte sich der Zug über den menschenleeren Altstädter Ring, vorbei an verlassenen Marktbuden. Überall hing noch der festliche Schmuck der Krönungsfeierlichkeiten, Blütenblätter sprenkelten das Pflaster.
    Bald verließen sie die Stadt durch das südliche Tor, und die Burg Vyšehrad erhob sich vor ihnen. Rebekka musste an ihre seltsame Begegnung mit dem Abecedarium von Prag denken. Rasch sah sie zu Vojtech hinüber, doch der blickte starr geradeaus. Sie ließen die Burg rechts liegen und wandten sich nach Südosten. Inzwischen war es fast hell, doch auf der Landstraße waren nur wenige Reisende unterwegs, die meisten Besucher der Krönungsfeierlichkeiten schliefen vermutlich noch ihren Rausch aus.
    Als sie die letzten Gebäude hinter sich gelassen hatten, gaben sie den Pferden die Sporen. Im gestreckten Galopp ging es weiter, vorbei an vereinzelten Gehöften, einer Mühle und einer Köhlerhütte, bis der Wald sie einschloss.
    Vila schien die Hatz zu genießen. Mit gleichmäßigen weichen Galoppsprüngen hielt sie ohne große Anstrengung mit den anderen Pferden mit, die allerdings auch viel schwerer zu tragen hatten. Rebekka hatte einmal versucht, einen Harnisch samt Kettenhemd und Schwert zu heben – vergeblich.
    Plötzlich fiel Vila in Trab. Auch die anderen Pferde wurden langsamer. Der Ritter an der Spitze hatte die Faust in den Himmel gereckt, und das hieß: anhalten.
    Rebekka parierte Vila durch und reckte den Hals. Sie hatten eine Gabelung erreicht.
    Engelbert von der Hardenburg zog ein Pergament aus seinem Umhang hervor und hielt es Rebekka hin. Es war eine Landkarte. Ganz oben links stand »Prag«, ganz unten rechts »Znaim«. Dazwischen wimmelte es von weiteren Ortsnamen sowie von Linien und Symbolen, die Rebekka nicht verstand. Unmittelbar neben dem Wort »Znaim« befanden sich ein Kreuz und die Worte »Kloster Louka«.
    Der Ordensritter deutete auf die Karte. »Der Weg ist lang und gefährlich. Es gibt Schluchten, Raubritterbanden und reißende Bäche, vor allem jetzt. In den Bergen hat es erst geschneit und dann heftig geregnet. Einige Wege sind unpassierbar. Aber die Landstraße können wir ohnehin nicht nehmen, das wäre zu gefährlich. Wir müssen uns querfeldein durchschlagen.« Er lachte grimmig. »Ohne diese Karte würden wir unser Ziel nicht finden. Es sind fast dreißig Meilen bis Znaim. Böhmische Meilen. Ihr wisst, wie viel das ist?«
    Rebekka schüttelte den Kopf.
    »Wenn ihr mit Vila eine Stunde galoppiert, dann habt Ihr etwa zwei Meilen zurückgelegt. Zu Fuß braucht ihr für dreißig Meilen fast drei Wochen, aber nur, wenn Euch kein Hindernis in die Quere kommt. Wir werden mindestens fünf Tage brauchen bis Znaim, je nach Witterung auch eine ganze Woche, denn wir passieren unwegsame Gebiete.«
    Rebekka griff nach der Karte. Von der Hardenburg zögerte kurz, gab das Dokument dann aber frei.
    Rabbi Isaak hatte ihr einst eine Karte von Jerusalem und dem Heiligen Land gezeigt. Sie hatte sich zunächst nicht vorstellen können, wie eine so große Stadt und ein so weites Land auf ein so kleines Stück Schweinehaut passen konnten. Mit unendlicher Geduld hatte der Rabbi ihr erklärt, wie man etwas Großes auf etwas Kleines

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