Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
warum seid Ihr mir nachgeritten?«
»Ich muss auf Euch achtgeben, Herrin.«
»Natürlich.« Plötzlich kam sich Rebekka kindisch vor. Sie hatte sich aufgeführt wie ein kleines Mädchen. Hoffentlich hatte niemand gemerkt, dass Vila gar nicht durchgegangen war! »Ich bitte Euch um Verzeihung, Bohumir Hradic. Ihr wähntet mich in Gefahr. Und ich danke es Euch mit Spott. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Herrin …« Er wirkte verlegen.
»Schon gut, Bohumir. Es war wirklich dumm von mir.« Sie schaute sich um. Wo blieben die anderen? Wo blieb Vojtech, ihr Beschützer?
Sie wendeten die Pferde und ritten zurück.
»Warum sind uns die anderen nicht gefolgt, Bohumir?«, fragte Rebekka.
Der Ritter hob die Augenbrauen. »Ich weiß es nicht, aber Engelbert von der Hardenburg scheint Euch gut zu kennen. Vermutlich wusste er, dass Euch keine unmittelbare Gefahr droht.«
Bald kam die Eskorte in Sicht, alle waren abgestiegen, Vojtech von Pilsen stand auf dem Weg, hielt mit der Hand über den Augen Ausschau. Kaum hatte er sie erspäht, gestikulierte er wild.
Sofort sprang der Ordensritter auf sein Pferd und kam ihnen entgegengeprescht. Mit einem Kopfnicken entband er Bohumir von seiner Aufgabe, auf Rebekka aufzupassen. Der Ritter trabte an und stieß zu seinen Kameraden.
Von der Hardenburg griff in Vilas Zügel. Mit zusammengekniffenen Augen blitzte er Rebekka an. »Wisst Ihr, was man mit jemandem macht, der sich den Befehlen des Königs widersetzt?«
Er wartete keine Antwort ab, Rebekka hatte ohnehin nicht vorgehabt, etwas zu erwidern.
»Oder mit jemandem, der einfach die Truppe verlässt?« Er zog sein Schwert, ließ es durch die Luft zischen. »Man macht ihn einen Kopf kürzer. Wenn man gut gelaunt ist. Wenn nicht, öffnet man ihm den Bauch und überlässt ihn den Wölfen.« Er steckte sein Schwert wieder ein. »Ihr steht unter dem Schutz des Königs. Und unter meinem. Aber das gibt Euch nicht das Recht, gute Männer zu gefährden! Vojtech von Pilsen wollte Euch ebenfalls hinterherstürmen, aber ich habe ihn aufgehalten. Eigentlich wollte ich, dass sich die Männer verstecken und Ihr einen Geschmack davon bekommt, wie es ist, plötzlich allein zu sein. Mitten im Nichts. Ohne den Weg zu kennen, ohne Verpflegung und ohne Schutz. Als Frau seid Ihr Freiwild.«
»Ihr habt Recht«, gab Rebekka zu. Sie reckte das Kinn. »Aber warum sagt Ihr mir nicht endlich, was ich zu tun habe? Ich ertrage es nicht länger, ins Ungewisse zu reiten.«
Der Ordensritter seufzte. »Ihr seid widerspenstig, ungezogen und achtet nicht die Weisungen Eures Herrn. Ihr habt einen eigenen Kopf. Eines Tages wird es Euch genau den kosten.«
Jedes Wort des Ordensritters traf zu. Rabbi Isaak hatte ihr mehr als einmal genau das Gleiche vorgeworfen. Genau deshalb würde er sie in allem unterrichten, was er wisse, hatte er immer wieder gesagt. Um sie stark zu machen. Heißer Schmerz fuhr ihr durchs Herz. Wie mochte es Rabbi Isaac gehen? War er tot, ebenso wie ihre Eltern? Oder gab es noch Hoffnung? Heimweh überfiel sie. Sie musste mit den Tränen kämpfen, zwang sich zu lächeln, denn der Ordensritter sollte sie nicht schwach erleben.
Engelbert von der Hardenburg musterte sie streng. »Ihr seid zäh und stur. Doch genau aus diesem Grund habe ich Euch ausgesucht. Eure Aufgabe ist, sagen wir, nicht einfach. Denn die Nonnen in Louka sind ebenfalls stur.«
Mit einem Mal begriff Rebekka, wie der Ritter an die Reliquie kommen wollte – und welche Rolle er ihr dabei zugedacht hatte. »Ich soll die Reliquie aus dem Kloster stehlen!«
»Ihr lernt schnell. Aber es ist kein Diebstahl. Die Nonnen weigern sich herauszugeben, was dem König rechtmäßig zusteht. Der König seinerseits ist gütig, er will keine Gewalt anwenden, wenn es irgendwie geht. Nur wenn er keine Wahl hat, greift er zu härteren Mitteln. Ihr habt also zwei edle Ziele: dem König zu bringen, was des Königs ist, und die Frauen des Klosters vor ihrer eigenen Dummheit zu beschützen.«
Rebekka glaubte nicht, dass der König tatsächlich ein Recht auf die Reliquie hatte. »Schöne Worte.« Sie legte den Kopf schief. »Der Köder muss dem Fisch schmecken, ist es nicht so? Ihr seid mit allen Wassern gewaschen, verehrter Ritter.«
Von der Hardenburg vollführte eine vollendete höfische Verbeugung. »Und, Rebekka bat Menachem, mundet er Euch?«
***
Johann schreckte hoch. Kalter Schweiß klebte auf seiner Stirn, sein Nachthemd war nass. Licht sickerte durch die Fensterluke. Er horchte. Von
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