Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
hoch, als es an der Tür klopfte.
»Amalie, ich bin es«, rief eine Stimme von der anderen Seite der Tür. »Hardenburg. Kann ich eintreten?«
»Nein!«, schrie Rebekka empört.
»Dann kleidet Euch bitte an und kommt in die Schreibstube des Burgherrn. Wir müssen noch etwas besprechen, das wisst Ihr doch.«
»Hat das nicht bis morgen früh Zeit? Es ist mitten in der Nacht!«
»Es ist längst Morgen. Schaut hinaus, bald geht die Sonne auf!«
Rebekka wünschte Engelbert von der Hardenburg in diesem Augenblick in die Hölle. Sie wollte nie wieder heraus aus dem duftenden Wasser, sie wollte auch nichts stehlen, denn um Diebstahl ging es, auch wenn der Ordensritter es nicht so bezeichnete. Sie wollte nur ihre Eltern finden und mit ihnen ein neues Leben anfangen, irgendwo, wo Juden nicht gehasst und verfolgt wurden. Nicht einmal die Wahrheit über die Belcredis interessierte sie in diesem Augenblick. Sie mochten ihre leiblichen Eltern sein, aber sie hatten sie weggegeben und sich nie wieder um sie geschert. Was sollte ihr also an ihnen liegen? Tränen liefen ihr über die Wangen. Wie sehr hatte sich ihr Leben innerhalb weniger Wochen verändert! Wo war das Mädchen geblieben, das mit Johann in der Ruine Verstecken spielte oder sich in der Tauber von ihm das Schwimmen lehren ließ?
Rebekka weinte, bis die Tränen versiegten. Danach fühlte sie sich etwas besser. Sie stieg aus dem Zuber und trocknete sich sorgfältig mit den Leinentüchern ab, die ebenfalls nach Rosen dufteten. Sie steckte das feuchte Haar unter eine Haube, legte das türkisfarbene Gewand an, trat vor die Tür und erschrak.
Ein Mann stand im flackernden Halbschatten der Fackeln, trat aber sofort ins Licht. Bohumir. Er bewachte sie. Oder überwachte er sie?
Er wies auf den Gang. »Wenn Ihr mir folgen würdet.«
»Habe ich eine Wahl?«
Bohumir zögerte einen Moment. »Nein.«
»Gut«, antwortete Rebekka. »Das wollte ich nur wissen.«
»Ich danke Euch.«
»Wofür, Bohumir? Ihr seid mir nichts schuldig. Im Gegenteil. Ich verdanke Euch mein Leben.«
»Ich danke Euch dafür, dass Ihr mich nicht hasst, weil ich Euch keine Wahl lassen darf. Ihr müsst Euch wie eine Gefangene fühlen.«
Bevor sie etwas erwidern konnte, wandte er sich ab und ging voraus.
Die Schreibstube lag in einem Raum hinter dem großen Saal des Palas, in dem jetzt nicht mehr Otto von Wispitz Hof hielt, sondern Tadeusz, der Verwalter des Königs. Er stand mit einigen älteren Männern um einen Tisch herum. Sie redeten über die Erträge der umliegenden Höfe, Tadeusz hörte aufmerksam zu. Die Männer wirkten weder nervös noch erschreckt. Sie weinten ihrem Herrn keine Träne nach. So schnell stürzten auch die Mächtigen oder die, die glaubten, mächtig zu sein. Es war immer nur die Frage, wer gerade der Stärkere war. Oder der Klügere.
Rebekka und Bohumir durchmaßen den Saal und schlüpften durch eine kleine Tür, die Bohumir sorgfältig hinter ihnen schloss. Erstaunt blickte Rebekka sich um. Der Raum war voll mit Büchern und Pergamentrollen.
Engelbert trat auf sie zu. »Er war kein Dummkopf«, sagte er und zeigte auf die beeindruckende Bibliothek. »Er war nur zu gierig und glaubte, der Arm des Königs reiche nicht weit genug.«
»Was wird Abt Remigius dazu sagen?«, fragte Rebekka.
»Er wird schäumen vor Wut, aber er wird es gut verbergen und dem König danken, dass er ihn von diesem üblen Geschmeiß befreit hat. Nehmt Platz.« Der Ordensritter zeigte auf einen Scherenstuhl, der mit einem Lammfell ausgelegt war.
Noch gestern hat hier der ehemalige Herr der Burg gesessen, dachte Rebekka. Sie schüttelte den Kopf.
»Seid nicht albern«, schalt der Ordensritter sie.
Rebekka blieb stehen.
»Wie Ihr wünscht.« Mit einer Handbewegung räumte er einen Tisch frei, die Rollen purzelten übereinander auf den Steinboden. Er breitete ein Pergament aus. Damit es sich nicht wieder zusammenrollte, platzierte er auf die Ecken Steine, die in einem Korb bereitlagen.
Rebekka trat an den Tisch und warf einen Blick darauf. Es war der Plan des Klosters Louka in Znaim. Der Ordensritter faltete ein zweites Pergament auseinander.
Die Zeichnung darauf erinnerte Rebekka an ein Brettspiel. Auf einer Art Gitter waren neun Steine eingezeichnet, die so aussahen, als wären sie an den Stäben befestigt. Sie schienen schwarz zu glänzen, waren durchzogen von feinen weißen Adern, die jeweils ein einzigartiges Muster formten.
Von der Hardenburg deutete auf die Zeichnung. »Was Ihr hier seht,
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