Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
ist nicht nur ein Meisterwerk der Zeichenkunst, es ist das große Geheimnis des Klosters Louka.« Er nickte Bohumir zu.
Dieser fuhr fort. »Es sieht so aus, aber es ist kein Brettspiel. Und auch nicht das vergitterte Fenster zu einem Verlies. Es ist das genialste Schloss, das ich jemals gesehen habe. Angeblich hat ein Gelehrter aus Konstantinopel es ersonnen und gebaut. Das metallene Gitter ist in das Holz der Tür eingearbeitet. Die Steine lassen sich auf den Metallstäben verschieben. Horizontal und vertikal. Man muss sie in der richtigen Reihenfolge in die richtige Position gleiten lassen. Es gibt nur eine Stellung, die das Schloss öffnet. Aber es gibt viele Kombinationen, die einen Mechanismus auslösen, der den Tod bringt oder den Inhalt des Tresors zerstört. Wir haben bereits einen Mann verloren, der versucht hat, die richtige Kombination herauszufinden. Ein vergifteter Pfeil hat ihn innerhalb von wenigen Augenblicken ins Jenseits geschickt.«
»Seitdem lassen die Nonnen keinen Mann mehr ins Kloster, außer einem uralten Abt, der direkt nebenan bei den Mönchen lebt«, ergänzte Engelbert. »Es sind Prämonstratenser. Und es ist eines der letzten Klöster, in dem Männer und Frauen so dicht beieinanderleben. Die beiden Konvente sind nur durch eine Mauer voneinander getrennt.« Der Ordensritter deutete auf eine dicke Trennlinie, die zwischen den Gebäuden der Klosteranlage verlief.
»Deswegen braucht Ihr eine Frau«, stellte Rebekka fest.
Bohumir und der Ordensritter nickten gleichzeitig.
»Und wie lautet die Kombination, um das Schloss zu öffnen?«
Beide schwiegen.
»Ihr wisst es nicht?«
Der Ordensritter klatschte in die Hände. »Ich bewundere Euren Scharfsinn.«
»Warum stoßt Ihr mir dann nicht gleich hier und jetzt einen Dolch ins Herz?«
»Wir wissen, wer die Kombination kennt«, sagte der Ordensritter.
Rebekka wartete. Bohumir sah auf den Boden, scharrte mit dem Fuß.
»Allein die Mutter Oberin kennt die Kombination. Oder zumindest weiß sie, wo sie aufgezeichnet ist. Sie ist alt. Sie ist schlau. Sie ist misstrauischer als der Steuereintreiber des Königs. Sie kennt alle Schliche.«
Rebekka setzte sich auf den Stuhl. Es war ihr inzwischen gleichgültig, dass der Mann, der noch gestern darauf gesessen hatte, tot war. Sie selbst fühlte sich genauso tot.
Bohumir räusperte sich. »Die Mutter Oberin wird Euch die Kombination nicht freiwillig geben. Und Ihr dürft keine Gewalt anwenden.«
»Da bin ich aber froh«, sagte Rebekka und lachte bitter. »Und ich dachte schon, ich müsste sie mit glühenden Zangen foltern.«
Der Ordensritter schnalzte mit der Zunge. »Denkt lieber nach, anstatt zu verzweifeln. Habt Ihr es für möglich gehalten, diese Burg mit drei Männern zu erobern?« Er wartete keine Antwort ab. »Nein. Aber es ist geschehen. Gott wird Euch leiten. Er ist dem König wohlgesinnt, also auch Euch. Oder zweifelt Ihr an Gott?«
»Ich zweifle nicht an Gott, aber ich zweifle an Eurer Redlichkeit, Engelbert von der Hardenburg. Ihr seid wie das Wasser, das man nicht zu fassen bekommt, ständig ändert Ihr Eure Form. Ständig kommt etwas anderes zum Vorschein.«
Der Ordensritter applaudierte grinsend. »Wunderbar. Ihr sollt mich gar nicht mögen. Ihr sollt nur Euren Auftrag erledigen. Und dann werde ich meinen Teil der Vereinbarung einhalten und Euch bei Eurer Suche helfen. Denn ich mag vieles sein, aber mein Wort gilt.«
»Sogar über seinen Tod hinaus«, schaltete Bohumir sich ein.
Rebekka fuhr zu ihm herum. »Was meint Ihr damit?«
»Sollte Engelbert von der Hardenburg seinen Schöpfer sehen, bevor er sein Versprechen einlösen konnte, trete ich in sein Wort ein. Das musste ich ihm schwören.« Bohumir machte einen unsicheren Schritt auf sie zu. »Seid beruhigt. Ich gehöre zu den Menschen, die andere nach dem beurteilen, was sie tun, und nicht nach dem Gott, den sie anbeten. Und ich glaube keine Ammenmärchen.«
Rebekka schwieg erschrocken. Was wusste der Ritter über sie?
»Aber gebt acht!« Engelbert packte Rebekka und drehte sie zu sich herum. »Die meisten sehen das anders. Traut niemandem außer Bohumir und mir.«
Rebekka brachte kein Wort mehr heraus. Ihr schwindelte. Bohumir als Verbündeten zu wissen, ängstigte und beruhigte sie zugleich. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Lieber befasste sie sich mit dem Vorhaben des Ordensritters, auch wenn es noch so unmöglich erschien. Vielleicht gab es doch einen Weg. Es kam auf einen Versuch an. Nichts war unmöglich,
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