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Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)

Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)

Titel: Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ugo Riccarelli
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nichts Gutes ahnen. Beniamino bemerkte es und beschloss einzuschreiten.
    »Warum sagst du so was, Malfatti?«
    Der Mann zeigte mit rotangelaufenem Gesicht auf Mita.
    »Ich kenne doch ihre Familie. Und ich erkenne Leute, die am Hungertuch nagen.«
    »Wieso, wie sieht denn jemand aus, der am Hungertuch nagt?« fragte Beniamino. Da ließ Malfattis gewohntes Zittern nach, und er sah sich im Kreis um, als wollte er sich vergewissern, dass alle ihm zuschauten. Dann knöpfte er seine Weste auf, zerrte das Hemd aus der Hose, drehte die Füße nach innen und streckte eine Hand nach Beniamino aus, als bettelte er.
    »So sieht dieses Lumpenpack aus, genau so«, sagte er. Gekrümmt und zerzaust, die Augen verdreht, war er ein paar schleppende Schritte gegangen, die ihn vollends zu einer lächerlichen Figur machten. Fosco und Renzo Bardi waren sofort in Gelächter ausgebrochen, gefolgt von Mara, die, an den Türpfosten gelehnt, die Szene beobachtete, und sogar von Bruni, dessen übliche Maske aus Ernst sich in einem Lächeln auflöste.
    Als sie die belustigten Reaktionen aller Anwesenden sah, vergaß Mita, die zunächst mit gesenktem Kopf beleidigt stehengeblieben war, ihren Groll und stimmte in das Gelächter ein. Dann stellte sie sich vor Malfatti hin.
    »Ich gehöre auch zu dem Lumpenpack«, und mit diesen Worten zeigte sie allen den großen Flicken auf dem Unterrock, den Elemira ihr besorgt hatte.
    Dann pflanzte sie sich mitten im Kreis auf und vergewisserte sich mit einem Blick in die Runde, dass alle ihr zuhörten.
    »Mein Vater war ein König, genau wie der Duce«, sagte sie in gewichtigem Ton. »Und ich war eine Prinzessin, denn er wollte nicht, dass jemand mich anrührte, darum schloss er mich in Montaio in dem Zimmer hinterm Stall ein.«
    Mita nickte mit dem Kopf, wie um sich selbst zuzustimmen.
    »Ich war die Prinzessin des Hauses in Montaio«, wiederholte sie und warf hocherhobenen Hauptes einen stolzen Blick in die Runde.
    Beniamino hatte sie beobachtet. Das Haus in Montaio war vor ihm aufgetaucht und mit ihm die Gestalt von Mitas Vater, Cesco Mori, den alle weit und breit ringsum fürchteten und mieden.
    »Dein Vater war der Duce«, sagte er unwillkürlich.
    Da stemmte Mita mitten im Kreis der Verrückten die Hände in die Seiten, genau wie der Duce, und begann nach rechts und links Befehle auszuteilen.
    »Los, geh melken, schnell!« schrie sie Renatina an.
    Dann blickte sie zu Cavani hinüber: »Ich schlag dir den Schädel ein, verdammtes Schwein!«
    »Ich will mein Essen auf dem Tisch, und wehe dem, der einen Mucks macht!« rief sie und schlug mit der Faust auf einen imaginären Tisch.
    Da erhob sich Giovanni von seinem Platz.
    »Du sollst Vater und Mutter ehren«, sagte er, den Zeigefinger zum Himmel erhoben.
    Mita würdigte ihn keines Blickes, sondern verschärfte sogar den Ton ihrer Befehle mit Tränen in den Augen, bis daraus richtige Schreie wurden.
    »Gottvater befiehlt«, rief Giovanni ekstatisch aus. »Er regelt. Er lenkt. Er bestimmt. Er tötet.«
    Und nach einem langsam geschlagenen Kreuzzeichen versank er in ein inbrünstiges, leise gemurmeltes Gebet.
    Beniamino hatte ihnen zugesehen. Wie auf einer Theaterbühne inszenierten die Verrückten vor dem Bühnenbild des Pianoro ihr Leben, erfüllten den Hof mit Worten und Gesten, ließen sie aufeinanderprallen, sammelten sie ein und aßen sie wie die Rosenblätter, und endlich verströmten auch diese Worte und Gesten ihren Geruch aus Leid und Verwirrung, aus einem verzweifelten Bedürfnis nach Liebe, nicht anders als das, was Schauspieler zum Ausdruck bringen.
    Auf der Treppe unter dem Laken sitzend, neben sich Renatina, die mittlerweile aus vollem Halse brüllte, beschloss Beniamino, diese Schreie aufzunehmen und selbst zu einem Teil der Vorführung zu werden. Er sog so viel Luft ein, wie er nur konnte, und ließ sie dann in einem sonderbaren Gesang herausströmen, einem Schwall unterschiedlicher Töne, unter die er das Geräusch seines brechenden Beines mischte: Er sah vor sich Ignazios vom Tod überraschtes Gesicht, die Brüste von Marcella, Aidas Hände, roch den Gestank der Schlafsäle im Irrenhaus, sah Elemiras Tränen, die Mauer aus braunen Ziegelsteinen, das Lager für die Stoffballen und hörte die letzten Worte Rattazzis, die er nicht verstanden hatte.
    Er streckte einen Arm unter dem Laken hervor und zog Renatina zu sich heran, und gemeinsam sangen und brüllten sie, bis Zufriedenheit und Müdigkeit sich einstellten und er spürte, wie der winzige

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