Die Rettung von Zei
und hielt auf den Kanal zu; die Galeeren folgten ihr. Die bewaldeten Hügel der Halbinsel, die sich von Westen her zur Meerenge hin senkten, wuchsen immer näher heran. Während sie durch das glasklare Wasser pflügten, wuchs das Land aus dem Wasser empor, bis es schließlich so aussah, als wäre die Insel ein Teil des Festlands. Als sie noch näher herankamen, öffnete sich vor ihnen die westliche Durchfahrt.
Immer noch verringerten die Galeeren ihren Abstand zur Shambor, Barnevelt blickte mit einem Schaudern nach hinten. Würden sie einem weiteren Sperrfeuer ausweichen müssen?
Einer der Seemänner rief resigniert: »Es hat keinen Sinn, Käpt’n. Wir sind verloren!« Andere fielen in den Chor der Verzweiflung ein: »Sie kriegen uns, lange bevor wir eine Zuflucht gefunden haben …« »Ergeben wir uns ehrenhaft …«
»Haltet den Mund, ihr alle!« brüllte Barnevelt. »Ich werde euch hier rausholen, bevor …«
In diesem Moment begann ein Matrose – nicht Zanzir, sondern ein älterer, größerer Bursche – auf die Mannschaft einzureden. »Dieser eingebildete Kapitän schert sich einen Dreck um euer Wohlergehen. Den interessiert bloß seine königliche Metze. Werfen wir sie doch beide den Fischen zum Fraß vor …«
Gleich bei den ersten Worten des Mannes zückte Barnevelt sein Schwert und ging auf ihn zu. Der Matrose, der Barnevelts nahende Schritte hörte, wirbelte herum und fuhr mit der Hand nach seinem Messer. Ein paar andere folgten seinem Beispiel.
Barnevelt sprang vor, und ehe der Meuterer nach ihm stechen oder stoßen konnte, schlug er ihm die flache Seite seiner Schwertklinge gegen die Schläfe. Der Mann taumelte seitwärts über das Deck und stolperte ausgerechnet durch die Lücke in der Reling, die das Katapultgeschoß hinterlassen hatte. Ein heiserer Entsetzensschrei, Platsch, und weg war er.
Barnevelt hatte nicht die Absicht gehabt, den Mann zu töten, er hatte ihn lediglich betäuben wollen. Aber nun sah er sich durch die Umstände plötzlich gezwungen, hart zu bleiben: anhalten und den Mann aus dem Wasser fischen kam nicht in Frage: dazu war die Galeere ihnen zu dicht auf den Fersen. Nun gut, jetzt würde den Leuten jedenfalls klar werden, dass er es ernst meinte. Er bedauerte nur, dass es nicht Zanzir gewesen war, denn er steckte mit Sicherheit hinter der ganzen Sache.
»Sonst noch einer?« fragte er in die Runde, um einen möglichst markigen Klang in der Stimme bemüht.
Keiner antwortete. Er schritt langsam den Mittelgang ab und schaute jedem einzelnen hart in die Augen. Einem, der seinem Blick nicht lange genug standhielt, hieb er mit der flachen Seite seines Schwertes auf den völlig nackten Rücken.
»Und jetzt legt auch in die Riemen, Burschen, sonst geht’s euch verdammt dreckig!« Ich und Kapitän Bligh, dachte er schmunzelnd bei sich.
Sie passierten einen Felsen. »Chask, du übernimmst das Ruder. Stell ein paar Männer in den Bug; sie sollen die Tiefe ausloten. Ich selbst klettere auf den Mast und – auch das noch!«
»Was ist denn, Käpt’n?«
»Unsere neue Takelung hat keine Webeleinen. Bring mir schnell einen Hammer, ein paar lange Nägel und ein Stück Tau!«
Als er die gewünschten Sachen beisammen hatte, machte er sich daran, den Mast hinaufzuklettern. Das war alles andere als ungefährlich, zumal das an seinem Gürtel baumelnde Schwert und die Gegenstände, die er bei sich trug, ihn in seiner Bewegungsfreiheit einschränkten und der einzige Halt, der sich ihm bot, in den Seilringen bestand, die die Stagkante des Segels am Mast hielten, und diese waren reichlich wacklig. Als er etwa zwei Drittel der Masthöhe bewältigt hatte, schlug er zwei der Nägel in den Mast, formte aus einem mitgebrachten Tau eine Schlinge, machte diese an den Nägeln fest und setzte sich hinein. Dieser ›Mastkorb‹ war zwar weder sicher noch komfortabel, aber wenigstens konnte er nun von oben aus anhand der verschiedenen Grünschattierungen des Wassers die Tiefe ihrer Fahrrinne abschätzen. Von hinten hörte er das Knirschen und Aufklatschen der Galeerenruder.
»Einen Strich backbord!« rief er nach unten. »Jetzt ein bisschen mehr nach Steuerbord. Jetzt vorsichtig geradeaus … etwas langsamer …«
Jede Sekunde konnten sie auf Grund laufen. Die Erschütterung würde ihn mit Sicherheit aus seinem Ausguck schleudern. Keine besonders angenehme Vorstellung … Er spähte angestrengt nach Stellen, wo das Wasser dunkler war. Eine leichte nördliche Gezeitenströmung in der Meerenge half der
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