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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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er sich, möglichst keine Spuren zu hinterlassen.
    In ungefähr einem Jahrhundert würde die Methode, alkoholische Getränke erst einmal eine Weile altern zu lassen, auch auf Whisky angewendet werden. Dann würde sogar das Gesetz vorschreiben, ihn mindestens drei Jahre lang zu lagern, ehe er verkauft werden durfte. Doch zurzeit wurde das Zeug sozusagen im Rohzustand getrunken. Dylan hatte die Absicht, dies zu ändern. Abgesehen davon, dass der frisch gebrannte Whisky nicht besonders schmeckte, stellte sein Genuss auch noch ein Gesundheitsrisiko dar. Ein Mann im Tal war davon blind geworden, und im Laufe der vergangenen Jahre waren auch einige gestorben. Vielleicht rettete er ja dadurch, dass er eine neue Idee vor ihrer Zeit einführte, sogar ein paar Leben, dachte er belustigt.
    Es würde zwar nicht leicht sein, die Whiskyliebhaber der Highlands dazu zu bewegen, raschere Wirkung zugunsten besseren Geschmacks aufzugeben, doch Dylan plante auf Zeit. Er wollte einen Markt für alten Whisky aufbauen, bevor die Produktion des Getränks industrialisiert wurde. Zumindest in diesem Punkt zahlte sich sein Wissen um die Zukunft dieses Landes aus. Schottland würde sich in nicht allzu langer Zeit in ein kapitalistisches Industrieland verwandeln, und wenn er den Bewohnern von Glen Ciorram schon jetzt eine solide Wirtschaftsgrundlage schuf, verhinderte er vielleicht, dass die Sassunaich den Clan im Laufe des nächsten Jahrhunderts aus dem Tal vertrieben, um das Land zur Schafzucht zu nutzen. Zumindest war es einen Versuch wert, der allerdings auch große Risiken mit sich brachte.
    Endlich überquerte er den Bach und gelangte auf eine kleine Lichtimg unterhalb eines mächtigen Klippenvorsprungs. Hier brannte er seinen Whisky. In den Felsen befand sich eine Höhle, in der seine Fässer während der Reifezeit lagerten; alte Sherryfässer, die er Gracie abgeschwatzt hatte. Drei trugen die Aufschrift >1717<, drei waren mit >1718< gekennzeichnet, und erst auf einem stand mit Kohle die Jahreszahl 1719 geschrieben. Es sah so aus, als würde dieses Jahr nur noch eines hinzukommen.
    Dylan lehnte seinen Stab gegen die Felswand und fachte das Feuer unter dem großen Eisentopf neu an.
    Die meisten Whiskybrennereien in Schottland - und alle in Ciorram - wurden wegen der hohen Steuern der Engländer illegal betrieben. Dylan wollte sich jedoch mit seinem Betrieb so weit wie möglich an die Gesetze halten. Mit etwas Glück würden die königlichen Steuereintreiber von seiner Destillieranlage erst erfahren, wenn er es sich leisten konnte, die auf seinen Whisky erhobenen Abgaben zu zahlen. Anderenfalls würde die gesamte Anlage beschlagnahmt werden.
    Leider stand der Umstand, dass er sich jetzt mehr oder weniger offen zum katholischen Glauben bekannte, seinen Geschäftsinteressen im Weg. Er war zwar methodistisch erzogen worden - eine Glaubensrichtung, die erst in mehreren Jahrhunderten entstehen würde -, lebte aber seit fünf Jahren nach den Lehren des Katholizismus. Seine Clansleute ahnten nicht, dass er je einer anderen Religionsgemeinschaft angehört hatte. Wenn er jetzt aus geschäftlichen Gründen zum protestantischen Glauben übertrat, würden sich alle Mathesons zu Recht verraten fühlen. Um die Zukunft seines Clans zu sichern, musste er einen Weg finden, die strengen Gesetze zu umgehen, ohne dabei das gesamte Tal zu zwingen, sich zu einer Religion zu bekennen, die ihnen ihrer Überzeugung nach ewige Verdammnis bringen würde.
    Dylan blickte sich nachdenklich um. Er mochte dieses Fleckchen Erde, es war so still und friedlich hier. Und so sicher. Manchmal, wenn er sich sehr konzentrierte, konnte er sich wieder jene als selbstverständlich hingenommene Sicherheit ins Gedächtnis rufen, in der er im 20. Jahrhundert gelebt hatte. Die Lichtung lag tief im Wald versteckt, und um sie zu erreichen, musste man sich mühsam einen Weg durch Büsche und Unterholz bahnen. Die Rotröcke, die in dieser Gegend Streife ritten, verirrten sich nie hierher; sie hassten es, vom Pferd steigen und zu Fuß weitergehen zu müssen. Außerdem verhinderten die dichten Baumkronen, dass der Rauch, der von seinem Feuer aufstieg, in der ganzen Umgebung zu sehen war.
    Frohen Mutes machte sich Dylan an seine Arbeit. Die Säcke mit Gerste wurden im Bach eingeweicht, dann musste das Korn auskeimen, ehe es über dem Feuer gemälzt wurde. All diese Tätigkeiten befriedigten ihn zutiefst, denn er glaubte fest daran, dass er hier etwas aufbauen konnte, was seine und die Zukunft

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