Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
seiner Familie sichern würde. Hier hatte sein Leben einen Sinn.
    Nachdem er einen Teil der Gerste verarbeitet hatte, kehrte er zum Haus zurück, um zu frühstücken. Danach fütterte er die Rinder, holte frisches Wasser, mistete den Stall aus und fing den Urin eines der Tiere in einem Eimer auf, um Ammoniak daraus zu machen, das er zum Reinigen und Bleichen der Wolle brauchte. Dann fegte er den Kamin, sammelte die Asche, um später Seife damit herzustellen, ersetzte die alten, fauligen Binsen auf dem Boden durch frische und ging dann wieder ins Freie, wo er das Pferd anspannte und mit dem Karren zu seinem Feldern rumpelte, um mit dem Düngen fortzufahren.
    Wie immer ließ er bei dieser eintönigen Arbeit seine Gedanken wandern. Da er es wohlweislich vermied, sich dabei mit Cait oder Sarah zu beschäftigen, dachte er an sein früheres Leben zurück. Er fragte sich, wie seine Mutter wohl ohne ihn zurechtkam - oder vielmehr, wie sie ein paar Jahrhunderte später zurechtkommen mochte. Ob sie seinen Rat befolgt und sich von seinem nichtsnutzigen Vater getrennt hatte? Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass sie ihren Mann tatsächlich verlassen würde. Dazu war sie ihm eine zu ergebene Ehefrau gewesen; stets bemüht, Entschuldigungen für sein Verhalten zu finden. Mit seiner Gewalttätigkeit hatte sie sich schon vor vielen Jahren abgefunden. Sie war so geübt darin, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen und unter allen Umständen den Schein zu wahren, dass sie inzwischen vermutlich selbst glaubte, was sie sich und anderen einredete.
    Sinann tauchte hinter ihm auf. »Komm mit mir zum broch. Es ist wichtig.«
    Dylan schrak zusammen, als sie ihn so unvermittelt ansprach, gab aber keine Antwort, sondern fuhr fort, Kompost auf der Erde zu verteilen.
    »Och, er träumt anscheinend schon wieder von der Kriegsgöttin mit ihren roten Lippen und dem einladenden Lächeln!«
    Er grinste. »Nein, aber nun, wo du es erwähnst, denke ich, dass ich mir diese Vorstellung für später aufheben werde.«
    Sinann klatschte in die Hände. »Gut, und in der Zwischenzeit kannst du mich zum broch begleiten.« Sie deutete in Richtung des alten Turms und winkte ihm auffordernd zu.
    Wieder tat er, als habe er ihre Worte gar nicht gehört. »Sinann, ich habe dir doch schon einmal von meinen Eltern erzählt, nicht wahr?«
    Die Fee ließ sich auf dem Rand des Karrens nieder und legte den Kopf schief. »Aye. Dein Pa ist in den Klauen des Whiskys, und deine Mutter hält trotzdem zu ihm und wird zum Dank dafür von ihm verprügelt.«
    »Das trifft den Nagel auf den Kopf.« Dylan dachte einen Moment nach, dann setzte er seine Arbeit fort. »Ich habe ihr testamentarisch alles hinterlassen, was ich besaß, bevor ich hierher zurückkam, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Sie hat Geld von ihren Eltern geerbt, sie hätte ihn schon längst verlassen können. Seit Jahren habe ich versucht, sie dazu zu überreden. Der Mann ist gemeingefährlich. Ich habe Angst, dass er sie eines Tages umbringt.«
    Die Fee nickte. »So etwas kommt gelegentlich vor.«
    »Ich hasse diesen Kerl, weißt du? Ich hasse ihn, seit ich denken kann.« Er stieß die Mistgabel mit solcher Wucht in den Kompostkarren, dass der Dünger nach allen Seiten flog.
    Sinann runzelte die Stirn. »Du kannst doch deinen eigenen Vater nicht hassen.«
    »O doch. Ich habe mal mit angesehen, wie er ...« Dylan hielt inne und stützte sich auf die Gabel, als die Erinnerung ihn zu überwältigen drohte. Jahrelang hatte er verdrängt, was an jenem Tag geschehen war, und nun, als er daran zurückdachte, kam er sich erneut wie beschmutzt vor.
    Tonlos fuhr er fort: »Ich war damals ... oh, ich glaube, ungefähr vier Jahre alt. Ganz sicher ging ich noch nicht zur Schule, aber ich war alt genug, um Recht von Unrecht unterscheiden zu können. Eines Abends kam Dad betrunken nach Hause ... so wie jeden Tag. Vielleicht war er auch vollkommen bedröhnt, ich weiß nicht, was er damals alles geschluckt und geraucht hat. Ganz sicher war ich mir nie, aber ich glaube, er war sturzbesoffen, denn Mom hatte in Bezug auf Drogen sehr strenge Ansichten. Seinen Whisky allerdings ließ sie ihm immer durchgehen. Wie dem auch sei, er war vollkommen hinüber. Nur war ich es ja gewöhnt, ihn in diesem Zustand zu sehen. Ich wusste bloß noch nicht, woher das kam.
    Nun ja, jedenfalls kommt er rein, und Mom richtet ihm sein Abendessen. Ich hatte mich in der Diele versteckt, weil ich eigentlich schon längst hätte im

Weitere Kostenlose Bücher