Die Rettung
Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Arme, arme Morrighan. Hat dir die kleine Enkelin des Meeresgottes doch tatsächlich deine Beute entrissen? Ausgerechnet sie, die über keine nennenswerte Macht mehr verfügt? Welch eine Schande! Ich an deiner Stelle würde vor Scham keinem der Sidhe mehr unter die Augen treten.«
Da sein Spott an Morrighan wirkungslos abzuprallen schien, fuhr er gereizt fort: »Darf ich fragen, was so Besonderes an diesem Burschen ist? Langsam geht es mir auf die Nerven, dass du mich wegen diesem Matheson immer mehr vernachlässigst.« Was noch untertrieben war. Daghda hätte Dylan Matheson am liebsten vom Antlitz der Erde getilgt.
Er setzte sich auf und griff nach der hölzernen Platte, auf der die Reste ihrer Abendmahlzeit lagen. Seine Augen blitzten ärgerlich. »Eines Tages werde ich ihm einfach mein Schwert zwischen die Rippen stoßen. Vielleicht widmest du dann einen Teil deiner kostbaren Zeit wieder meiner unbedeutenden Person!«
Morrighan fuhr wie eine Wildkatze auf ihn los und stieß ihn unsanft in seine Kissen zurück. »Wage es nicht, ihn anzurühren! Er ist zehn von deiner Sorte wert!«
Daghda packte sie empört am Handgelenk. »Ich bin ein Gott! An Daghda Mór, Eochaid Ollathair! Neben mir ist dieser Sterbliche nur ein Staubkorn im Wind! Wieso soll ich es dulden, dass du dich mit ihm abgibst? Er ist nichts als ein unbedeutendes Menschlein!«
Morrighan riss sich unwillig los. Der teuflische Funke, der in ihren Augen tanzte, erweckte Daghdas Neugier, und sein Ärger verflog. Sie führte irgendetwas im Schilde, das sah er ihr an. Vielleicht erwies sich die ganze Sache ja als interessanter, als er gedacht hatte. »Nicht seine Person ist wichtig, sondern seine Herkunft«, erklärte Morrighan ihm ungeduldig. »Er kann ... Dinge vorhersagen.«
Daghda rümpfte abfällig die Nase. »Er ist also ein Seher.«
Sie schüttelte den Kopf, warf ihr schwarzes Haar zurück und lachte. »Nein, er ist kein Seher. Er ist ein Wissender. Dylan Matheson kann die Zukunft nicht vorhersehen, er kommt aus der Zukunft.«
7. Kapitel
Bei Sonnenaufgang weckte Dylan die beiden Kinder, um sie nach Hause zu bringen. Er kleidete beide an und stieg dann mit ihnen die Wendeltreppe des Turmes hinunter, was einige Zeit in Anspruch nahm, da Sile darauf bestand, die Treppe ohne Hilfe zu bewältigen. Lächelnd sah er zu, wie die Kleine vorsichtig Stufe um Stufe hinunterkletterte. Wenn er sie hochnahm, bevor sie unten angelangt war, würde sie in empörtes Geschrei ausbrechen und keine Ruhe geben, bis er sie wieder absetzte. Erst am Fuß der Treppe reckte sie auffordernd die Ärmchen hoch. Dylan grinste. »Ganz die Mutter«, murmelte er, als er sie auf seine Hüfte schwang und in sein Plaid einhüllte, ehe er sich mit Ciaran an der anderen Hand auf den Heimweg machte.
Zu Hause wartete Arbeit auf ihn, und heute noch mehr als sonst, da er gestern Abend nicht mehr dazu gekommen war, vor dem Schlafengehen etwas Wolle zu spinnen. Spinnen galt als reine Frauenarbeit, was bedeutete, dass er sich nicht dabei ertappen lassen durfte, sonst würde das ganze Tal über ihn lachen. Aber die Wolle musste verarbeitet werden, und Sarah fand einfach nicht die Zeit dazu.
Natürlich hätte er auch die Rohwolle an Leute aus dem Tal verkaufen können, dann hätte sie aber einen wesentlich niedrigeren Preis erzielt. Und er sah nicht ein, warum er die Abende, die er ohnehin allein zu Hause verbrachte, nicht dazu nutzen sollte, den Wert seiner Erzeugnisse zu steigern. Es musste ja niemand davon erfahren. Er konnte die gesponnene Wolle gegen andere Produkte eintauschen oder sie auf einem Markt der Umgebung verkaufen. Einen Teil würde er behalten, um Strümpfe daraus zu stricken. Malcolm hatte ihm das Stricken beigebracht, was hier nicht als Frauensache angesehen wurde, sondern als nützliche Tätigkeit, die die Männer während der langen Winterabende am Feuer sinnvoll beschäftigte.
Er überquerte die Zugbrücke, die die Insel mit dem Festland verband. Ciaran rannte vorneweg. Der Tag war kühl und bewölkt, die Luft frisch. Eis knirschte unter Dylans Stiefeln. Der schneidende Wind färbte die Nasenspitze der kleinen Sile rot und blies ihr das Haar ins Gesicht. Ciaran schrie Eóin und Gregor, die aus dem Dorf kamen und den Weg einschlugen, der am Torfmoor vorbei zu dem höher gelegenen Tal führte, zu, sie sollten auf ihn warten. So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, rannte er ihnen nach.
Ranald kauerte im Torhaus. Er kreischte
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