Die Rettung
entzückt auf, als er die über Dylans Kopf flatternde Sinann entdeckte und fuchtelte mit den Händen durch die Luft. Dylan drehte sich, einen Finger gegen die Lippen gelegt, zu ihm um, woraufhin der junge Mann verstummte.
Als Dylan weitergehen wollte, fiel sein Blick auf Sarah, die vor Nana Pettigrews Haus stand und sich mit Tormod unterhielt. Sie hatte ihren Umhang fest um ihre Schultern geschlungen und hielt den Kopf leicht zur Seite geneigt - so, als wolle sie es vermeiden, dem Schmied beim Sprechen in die Augen zu sehen. Tormod war so hoch gewachsen wie alle Mathesons, ging aber etwas vornübergebeugt. Seine lange Nase verlieh ihm das Aussehen eines Geiers, und mit den grauen Strähnen, die seinen hellbraunen Bart durchzogen, erinnerte er Dylan lebhaft an Fa-gin aus Charles Dickens' Oliver Twist. Merkwürdig, dass ihm das nicht schon früher aufgefallen war.
Dylan setzte Sile auf seiner Hüfte zurecht und drückte sie an sich. Die Kleine krallte eine Hand in den schwarzen Wollmantel ihres Vaters, dann presste sie das Gesicht gegen seine Brust. Dylan hüllte sie fester in sein Plaid, um sie vor der Kälte zu schützen. Langsam ging er an einer Kieferngruppe vorbei, dabei betrachtete er Sarah und Tormod interessiert.
Normalerweise war es nicht seine Art, andere Leute zu beobachten, aber dieses Pärchen erweckte seine Neugierde. Der Schmied war schon lange in Sarah verliebt, und jetzt hatte er anscheinend von neuem angefangen, ihr den Hof zu machen.
Dabei ging er nicht allzu diskret vor - er berührte ihren Arm und versuchte, ihre Hand zu halten aber viel Erfolg schien er mit seiner Werbung nicht zu haben. Da sowohl Sarah als auch er selbst allein stehend waren, galt sein Benehmen nicht unbedingt als unschicklich, aber Sarah war es ganz offensichtlich peinlich.
Dem Schmied schien nicht aufzufallen, dass seine Beharrlichkeit ihr missfiel. Sie wehrte seine Annäherungsversuche freundlich, aber bestimmt ab, trotzdem ließ Tormod nicht locker. Immer wenn sie ein paar Schritte weiterging, folgte er ihr, sodass sie gezwungen war, stehen zu bleiben, wenn sie verhindern wollte, dass er ihr bis zu Dylans Haus nachlief.
Auch Dylan blieb stehen und tat so, als müsse er Sile mit seinem Plaid zudecken. Dabei beobachtete er die beiden aufmerksam. Wieder einmal fragte er sich, ob Sarah dem Werben des Schmieds nicht irgendwann doch nachgeben würde. Jahrelang hatte er sich gewünscht, Tormod möge Sarah für sich gewinnen und sie glücklich machen, aber Sarah hatte ihn stets entschieden zurückgewiesen und lieber weiter stumm unter ihrer unerwiderten Liebe zu Dylan gelitten. Dylan wusste natürlich, dass Sinann sie mit einem Zauber belegt hatte. Seit seiner Ankunft in diesem Jahrhundert wurde er deswegen von Schuldgefühlen geplagt, und auch jetzt tat es ihm fast Leid, dass Tormod wieder keinen Erfolg hatte.
Warum er aber trotzdem, statt seinen Weg fortzusetzen, hinter einem Baum hervortrat und laut »Sarah!« rief, konnte er sich selbst nicht erklären.
Sie drehte sich erleichtert um. Bei seinem Anblick hellte sich ihr Gesicht auf und sie machte sich von Tormod los. Der Schmied zog finster die Brauen zusammen, schob die Fäuste in die Achselhöhlen, nickte Dylan grüßend zu und sagte dann etwas zu Sarah. Sie zögerte, drehte sich noch einmal um und bedachte ihn mit einem bösen Blick. Dann eilte sie auf Dylan und Sile zu.
»Was hat er gesagt?«, fragte Dylan. Er war sicher, dass Tormod irgendeine unverschämte Bemerkung gemacht hatte.
Sarahs Wangen leuchteten flammend rot. Sie schien sich zu freuen, dass gerade er sie aus ihrer misslichen Lage befreit hatte. »Ach, nichts«, erwiderte sie ausweichend, lief dabei aber noch dunkler an. Dylan beschloss, es vorerst dabei zu belassen.
Er wusste selbst nicht, warum er sie gerufen hatte, und er ahnte, dass das nicht sonderlich klug gewesen war. Er hatte einfach einem Impuls nachgegeben. Nun, das konnte er jetzt auch nicht mehr ändern. Mit Sarah an seiner Seite setzte er seinen Weg fort.
Eine Weile folgten sie schweigend dem steilen Pfad zu Dylans Tal, dann sagte Sarah: »Nana erzählte mir, die Soldaten hätten Iain Mór und seinen Bruder gestern Abend verhaftet, sie aber heute Morgen schon wieder frei gelassen. Anscheinend hatten sie nichts gegen sie in der Hand. Wahrscheinlich hoffen sie, dass Iain jetzt einen Fehler macht und dass sie ihm irgendwelche illegalen Aktivitäten nachweisen können.« Sie sprach leise und stockend.
Dylan vermutete, dass sie wegen der Farce,
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