Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
Apotheke, die um diese Zeit offen ist, befindet sich in der Nachtbar.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Keineswegs. Nachdem nachts hauptsächlich Kondome verkauft werden, ist eine Apotheke direkt in der Nachtbar doch sehr praktisch, finden Sie nicht auch?«
    »Und wo ist diese Nachtbar?«
    »Biegen Sie am Ende dieser Straße nach rechts in die Sackgasse ab, dann sehen Sie sie schon. Die Bar heißt ›Die Hölle‹.«
    Die rote Leuchtschrift ›Die Hölle‹ war wirklich nicht zu übersehen; um die Lettern tanzten Teufelchen mit Fledermausflügeln.
    Julie war am Ende ihrer Kräfte. »Luft! Luft!« flehte sie.
    Warum gab es nur so wenig Luft auf diesem Planeten?
    Ji-woong hielt sie aufrecht und bezahlte für den Eintritt, so als wollten sie hier nur tanzen. Der Türhüter, dessen Gesicht nicht nur tätowiert, sondern auch noch mit Ringen in Nase und Lippen geschmückt war, wunderte sich überhaupt nicht, ein Mädchen in so traurigem Zustand zu sehen. Die meisten Besucher der ›Hölle‹ kamen hier schon benommen von Alkohol oder Drogen an.
    Im Saal dröhnte Alexandrines Stimme »I love you, mon amour, je t’aime«, und die Paare wiegten sich eng umschlungen. Der Diskjockey drehte die Lautstärke noch mehr auf und schaltete alle Lichter bis auf die kleinen roten Blinklämpchen aus. Er wußte genau, was er machte. Bei diesem Höllenlärm und dieser Dunkelheit hatten all jene, die nichts zu sagen wußten oder von der Natur stiefmütterlich behandelt worden waren, die gleichen Chancen, jemanden zu verführen, wie die Schönen und Geistreichen.
    Ji-woong bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge, nur darauf bedacht, die halb ohnmächtige Julie rasch in die Apotheke zu schaffen. Hinter einer offenen Tür blätterte eine Dame in weißer Bluse in einer Illustrierten und kaute Kaugummi. Als sie das Paar sah, nahm sie einen der Wattebäusche heraus, die ihre Ohren schützten, und bedeutete Ji-woong, die Tür zu schließen. Der Lärm wurde etwas erträglicher.
    »Ventolin, bitte! Schnell, diese junge Dame hat einen schweren Asthmaanfall.«
    »Haben Sie ein Rezept?« fragte die Apothekerin seelenruhig.
    »Sie sehen doch, daß es hier um Leben oder Tod geht. Ich bezahle Ihnen, soviel Sie wollen.«
    Julie war wirklich in einem bemitleidenswerten Zustand. Ihr Mund öffnete und schloß sich krampfartig, wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Doch die Frau ließ sich von diesem Anblick nicht erweichen.
    »Tut mir leid, aber hier ist keine Lebensmittelhandlung, sondern eine Apotheke. Ventolin ist rezeptpflichtig, und ich muß mich an meine Vorschriften halten. Sie sind nicht die ersten, die mir eine solche Komödie vorspielen. Jeder weiß doch, daß Ventolin die Gefäße erweitert und deshalb schlappe Männer wieder munter macht.«
    Das war zuviel für Ji-woong. Er packte die Apothekerin am Blusenkragen, und weil er keine andere Waffe hatte, hielt er ihr seinen Wohnungsschlüssel an die Kehle. »Ich scherze nicht«, sagte er drohend. »Ventolin, bitte, oder Sie werden gleich selbst Medikamente benötigen – rezeptfreie oder rezeptpflichtige.«
    Die Apothekerin wußte, daß es sinnlos wäre, bei diesem Lärm um Hilfe zu rufen. Sie nickte zum Zeichen ihrer Kapitulation, holte das Aerosol und händigte es Ji-woong widerwillig aus.
    Es war höchste Zeit, denn Julie hatte schon Atemstillstand.
    Ji-woong mußte ihr die Lippen öffnen und das Mundstück mühsam zwischen die Zähne zwängen.
    »Schnell, atme, ich bitte dich!«
    Mit schier übermenschlicher Anstrengung gelang ihr der erste Atemzug, und mit dem Ventolin flutete das Leben in sie zurück. Ihre Lungen öffneten sich wie eine Blume im Wasser.
    »Wieviel Zeit man doch mit Formalitäten vergeudet!«
    knurrte Ji-woong in Richtung der Apothekerin, bemerkte aber nicht, daß sie mit dem Fuß auf einen Alarmknopf drückte.
    Diese Direktverbindung zur Polizei war eingebaut worden, weil hier Angriffe von Drogensüchtigen nicht auszuschließen waren.
    Nachdem Ji-woong ganz korrekt bezahlt hatte, traten sie den Rückweg durch die Nachtbar an. Wieder war ein Hit von Alexandrine zu hören: »Une passion d’amour«, und die Paare tanzten immer noch eng umschlungen in fast völliger Dunkelheit.
    Julie realisierte erst jetzt, wo sie sich befand, und plötzlich wünschte sie sich, von Ji-woong in die Arme genommen zu werden. Sie betrachtete den Koreaner. Er war schön und hatte etwas Katzenhaftes an sich. In dieser bizarren Umgebung wirkte er besonders reizvoll, und obwohl sie sich

Weitere Kostenlose Bücher