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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Überraschung stellte Maximilien fest, daß eine Belagerung in Wirklichkeit viel komplizierter war als in den Mantel-und-Degen-Filmen. Seit der römischen Antike hatten sich sämtliche Generäle den Kopf darüber zerbrochen.
    Der Kommissar erfuhr beispielsweise, daß Katapulte nicht nur zum Schleudern von Steinkugeln dienten, die im Grunde wenig Schaden anrichteten, sondern hauptsächlich eingesetzt wurden, um die Belagerten zu demoralisieren, indem man Abfälle, Urin und Kot in kleinen Fässern über die Mauern schickte. Auch bakteriologische Waffen wurden eingesetzt: Mit Hilfe der Katapulte wurden Kadaver von Tieren, die an der Pest gestorben waren, in Brunnen und andere Wasserquellen geworfen.
    Ferner gruben die Angreifer Tunnels unter die Wälle, stützten sie mit Holz ab und füllten sie mit Reisigbündeln, die angezündet wurden. Die Tunnels stürzten ein und brachten auch die Mauern ins Wanken. Unter Ausnutzung des Überraschungseffekts konnte man daraufhin die Festung leicht einnehmen.
    Eine weitere beliebte Kampfmethode waren erhitzte Kugeln aus Gußeisen, weil die Belagerten verständlicherweise panische Angst davor hatten, von einer solchen vom Himmel gefallenen glühenden Kugel getroffen zu werden.
    Der Kommissar erfuhr auf diese Weise, daß es Tausende von Belagerungsstrategien gab. Nun lag es an ihm, eine auszusuchen, die sich zur Einnahme eines Gymnasiums eignete.
    Das Telefon läutete. Der Präfekt wollte sich über die Sachlage informieren, und Maximilien berichtete, die Demonstranten seien umzingelt. Niemand könne das Gymnasium betreten oder verlassen.
    Dupeyron betonte wieder, am wichtigsten sei es, jedes Aufsehen zu vermeiden. Linart deutete an, daß er einen Sturmangriff auf das Gymnasium plane.
    »Um Himmels willen, auf gar keinen Fall!« rief der Präfekt aufgeregt. »Sie wollen aus diesen Unruhestiftern doch keine Märtyrer machen, oder?«
    »Aber sie reden von einer Revolution, und die Leute in der Umgebung des Gymnasiums sind sehr beunruhigt und beschweren sich. Außerdem machen sie mit ihrer Musik soviel Lärm, daß kein Mensch schlafen kann.«
    Der Präfekt insistierte, das ›Verschimmeln-Lassen‹ sei die beste Taktik. Durch Schimmel entstünden die besten Käsesorten, und sogar Brot bestehe aus einer Mischung von Mehl und Hefe, d. h. aus Pilzen.
    »Lassen Sie sie dort im Gymnasium verschimmeln, mein lieber Linart! Diese Jugendlichen werden nichts zustande bringen, und alle Revolutionen gehen irgendwann in Fäulnis über. Die Zeit ist ihr größter Feind.«
    Dupeyron führte aus, durch weitere Angriffe würde nur die Solidarität unter den Belagerten wachsen. Er solle sie lieber völlig in Ruhe lassen, denn dann würden sie sich gegenseitig zerfleischen wie Ratten in einem Käfig.
    »Sie wissen doch selbst, mein lieber Maximilien, wie schwierig das Leben in einer Gemeinschaft ist. Es gibt ja sogar schon Probleme, wenn mehrere Personen sich eine Wohnung teilen – oder kennen Sie etwa Ehepaare, die sich nicht streiten?
    Und jetzt stellen Sie sich einmal fünfhundert Personen zusammengepfercht in einem Gymnasium vor! Wahrscheinlich gibt es schon jetzt Auseinandersetzungen wegen tropfender Wasserhähne, gestohlener Gegenstände und kaputter Fernseher. Außerdem werden Raucher und Nichtraucher sich bekriegen. Glauben Sie mir, bald wird dort die Hölle los sein!«

121. REVOLUTIONSTAKTIKEN
    Julie begab sich in den Biologiesaal und zerbrach alle Glasbehälter. Sie befreite die weißen Mäuse, die Frösche und sogar die Regenwürmer.
    Eine Scherbe verletzte sie am Unterarm, und sie saugte sich das Blut von der Haut, bevor sie in ihr Klassenzimmer hinüberging, wo der Geschichtslehrer sie mit seinen Bemerkungen über die Unmöglichkeit einer gewaltlosen Revolution provoziert hatte.
    Sie wollte in der Enzyklopädie nach Texten über Revolutionen suchen, denn ein Satz aus dem Geschichtsunterricht ging ihr nicht mehr aus dem Sinn: »Wer die Fehler der Vergangenheit nicht verstanden hat, wird sie zwangsläufig wiederholen.« Hastig blätterte sie in dem Buch, weil sie erfahren wollte, wie ihre revolutionären Vorgänger agiert hatten und weil sie Lehren aus dem Scheitern großer Utopisten ziehen wollte, damit sie wenigstens nicht ganz umsonst gestorben waren.
    Julie verschlang die Geschichte bekannter und unbekannter Revolutionen. Letztere schien Edmond Wells mit fast boshafter Freude gesammelt zu haben. Die Revolution von Chengdu, der Kinderkreuzzug, die Revolution der Amischen aus dem Elsaß und

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