Die Revolution der Ameisen
totaler Einfachheit beginnt und der absoluten Komplexität zustrebt.
Gesundheitsprobleme – er war damals schon fast blind –
hinderten ihn daran, die letzte Fuge zu vollenden.
Bemerkenswert ist, daß er die vier Buchstaben seines Namens als musikalisches Thema verwendete: B-A-C-H. Auf diese Weise brachte er sich selbst ins Innere seiner Musik ein, in der Hoffnung, daß sie ihn wie einen unsterblichen König in die Unendlichkeit emportragen würde.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
86. ANGRIFF DER TEICHLÄUFER
Das Seerosenboot gleitet friedlich auf dem Fluß dahin.
Plötzlich sehen die Ameisen eine Gruppe von Insekten, die auf dem Wasser läuft. Es sind Teichläufer – Wasserwanzen, die Mücken ähnlich sehen.
Ihr Kopf ist länger als ihr Körper, und wegen der beiden kugelförmigen Augen, die seitlich wie Perlen aufgesetzt sind, erinnern sie an afrikanische Masken. Am Bauch haben sie samtige silberfarbene Härchen, die wasserabstoßend sind, und dank diesen Härchen können sie seelenruhig auf dem Wasser Spazierengehen, ohne zu ertrinken.
Die Teichläufer suchen nach Wasserflöhen, toten Mücken und Larven von Wasserskorpionen, doch als sie die Vibrationen auf dem Ameisenboot wahrnehmen, gruppieren sie sich zu einer militärischen Formation und greifen unerwartet an.
Sie laufen und schlittern über die Wasseroberfläche, so als wäre es fester Boden. Die Ameisen erkennen die Gefahr und beziehen an den Seiten ihres Boots Position, die Hinterleiber nach außen gerichtet.
Feuer!
Ameisensäure wird verspritzt.
Viele Teichläufer verenden und treiben leblos auf dem Wasser, doch anderen gelingt es, sich dem Boot zu nähern. Sie hängen sich mit ihren langen Beinen an das Blatt und ziehen es durch ihr Gewicht nach unten, so daß die Ameisen plötzlich im kalten Wasser stehen. Einige versuchen es den Teichläufern gleichzutun und auf der Oberfläche zu laufen, aber sie haben keine Übung darin, ihr Gewicht ganz gleichmäßig auf jedes Bein zu verteilen; eines sinkt immer ein, so daß sie schließlich doch im kalten Naß landen und vergeblich mit den Beinen rudern. Es besteht zwar keine Gefahr zu ertrinken, weil das Wasser ihnen nur bis zu den Unterkiefern geht, aber sie wären jetzt für jeden Angreifer eine leichte Beute. Verzweifelt klammern sie sich an den Rand ihres Bootes, während die aggressiven Teichläufer auf ihren Köpfen herumtrampeln, um sie in die Tiefe zu stoßen.
Not macht erfinderisch, und so verklammern sich die Ameisen ineinander und bilden mit ihren Körpern eine schwimmende Plattform. Die obersten stemmen sich ab, springen auf ihr Boot und ziehen die anderen hoch. Es gelingt ihnen sogar, einige Teichläufer gefangenzunehmen.
Nr. 103 fragt diese Gefangenen, warum sie als Horde angegriffen haben, obwohl doch jeder weiß, daß sie Einzelgänger sind. Ein Teichläufer berichtet, die ›Begründerin‹
habe diese Veränderung bewirkt.
Diese Teichläuferin lebte an einem Ort mit sehr starker Strömung, wo man sich ans Schilfrohr klammern mußte, um nicht abgetrieben zu werden. Die ›Begründerin‹ ärgerte sich darüber, daß die Teichläufer ihre Energie darauf verschwen-deten, gegen die Strömung anzukämpfen, obwohl niemand wußte, wohin diese Strömung führte. Sie wollte sich nicht ihr Leben lang hinter dem Schilfrohr verstecken und beschloß deshalb, sich von der Strömung ins Unbekannte tragen zu lassen. Alle rieten ihr davon ab und prophezeiten ihr den sicheren Tod, weil die Strömung sie gegen Felsen schleudern würde, doch die eigensinnige Teichläuferin machte sich trotzdem auf den Weg. Sie trieb hilflos dahin, wurde hin-und hergeworfen und trug schwere Verletzungen davon, aber sie überlebte, und als sie weiter unten am Fluß wieder an Land kam, waren die dortigen Teichläufer von ihrem Mut so beeindruckt, daß sie beschlossen, sich fortan unter ihrer Führung im Kollektiv zu behaupten.
Ein einzelner kann also das Verhalten einer ganzen Gruppe verändern, denkt Nr. 103. Was hatte jene mutige Teichläuferin bewiesen? Indem man seine Furcht überwindet, auf Sicherheit verzichtet und sich von der Strömung mitreißen läßt, riskiert man zwar Blessuren, doch am Ende verbessert man nicht nur die eigenen Lebensbedingungen, sondern auch die der Gemeinschaft.
Die Prinzessin schöpft aus dieser Erzählung neuen Mut.
Nr. 15 nähert sich und will den redseligen Wasserläufer verspeisen, aber Nr. 103 hindert sie daran. Sie meint, man
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