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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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auf einen Haufen Lumpen. Jeremy zog die einzelnen Kleidungsstücke mit spitzen Fingern auseinander. Sie waren verdreckt und voller Läuse.
    »Besaß der Einäugige sonst noch etwas?«
    »Er trug das hier um den Hals.«
    Die Pfandleiherin nahm ein seltsames Amulett von einem Tisch und reichte es Jeremy. Es war eine Walnuss, die an einer Schnur hing. Die beiden Hälften der Schale ließen sich öffnen. Im Innern befand sich eine getrocknete Spinne.
    »Ein alter Volksglaube«, erklärte Jeremy dem verwunderten Jeffreys. »Die Spinne trägt man um den Hals, um sich vor Ansteckung zu bewahren. Jack Einauge wusste also, dass er sich auf ein gefährliches Unternehmen einließ.«
    Jeremy steckte das Amulett ein und nickte dem Studenten zu. Auf dem Weg zurück zum Temple fragte der junge Mann: »Glaubt Ihr, dass der Einäugige auf eigene Faust handelte?«
    »Nein, dagegen spricht der plötzliche Geldsegen, den seine Vermieterin erwähnte. Er wurde dafür bezahlt, Richter Trelawneys Mantel mit dem eines Fieberkranken zu vertauschen. Sein Auftraggeber gab ihm das Amulett und versicherte ihm, dass es ihn schützen würde. Aber er steckte sich trotzdem an. Leider kann er uns nicht mehr sagen, wer ihn angestiftet hat.«
    »Wann werdet Ihr dem Richter Eure Entdeckung mitteilen?«
    »Das könnt Ihr besorgen, wenn Ihr wollt. Sagt ihm, ich hätte Euch geschickt.«
    George Jeffreys musterte seinen Begleiter mit sichtlichem Erstaunen.
    »Ihr besteht nicht darauf, es Seiner Lordschaft persönlich mitzuteilen?«
    »Nein. Ihr wolltet eine Gelegenheit, mit ihm in Kontakt zu kommen, und ich biete sie Euch. Aber ich möchte Euch dafür um einen Gefallen bitten.«
    »Nur zu!«
    »Es geht um den jungen Iren. Er sagte, er wurde aus Rache hereingelegt.«
    »Und Ihr wollt ihn retten!«, stellte Jeffreys ironisch fest. »Also gut, berichtet mir, was Ihr über die Anklage wisst, und ich werde Euch ein paar Ratschläge geben, wie Ihr ihm helfen könnt.«
    Jeremy erzählte dem Studenten, was Breandán ihm mitgeteilt hatte.
    »Bevor ich etwas dazu sagen kann, muss ich wissen, wer der Ankläger ist und wessen er den Gefangenen beschuldigt. Gebt mir ein paar Tage Zeit, es herauszufinden«, bat Jeffreys schließlich.

    Alan hatte gerade den letzten Kunden verabschiedet und wollte seine Offizin schließen, als eine Gestalt in einem langen Kapuzenmantel in der Tür erschien. Ihr Gesicht war maskiert, dennoch bereitete es dem Wundarzt keine Mühe, sie zu erkennen.
    »Mylady St. Clair …«, stammelte er und trat unwillkürlich ein paar Schritte zurück, um sie hereinzulassen.
    Amoret warf den Mantel und die Maske, die sie an einem Knopf mit den Zähnen festgehalten hatte, nachlässig über einen Stuhl. Darunter trug sie ein schlichtes, aber elegantes Kleid aus schwarzem Samt. Der enge Schnürleib senkte sich vorn zu einer mit Fischbein abgesteiften Spitze, die die Taille noch schmaler erscheinen ließ. Der Oberrock war vorne geöffnet und über den Hüften gerafft, so dass der mit schwarzen Spitzen besetzte untere Rock sichtbar wurde.
    »Seid Ihr Meister Ridgeway?«, fragte sie hochmütig.
    Alan, der seine Überraschung noch nicht überwunden hatte, nickte nur, weil seine Zunge ihm nicht gehorchte.
    Anders als die Bürgerinnen, die als züchtig gelten wollten, hatte Amoret darauf verzichtet, ihr Dekolleté mit einem weißen Spitzenkragen zu bedecken. Der Ausschnitt des Mieders ließ die Schultern und den Ansatz der Brüste erkennen, wie es am Hof Mode war.
    Alan starrte sie voller Bewunderung an. Er fand sie hinreißend schön. Erst nach einer Weile bemerkte er den abschätzenden Blick, mit dem sie ihn musterte, und versuchte, sich zusammenzureißen.
    »Was kann ich für Euch tun, Mylady?«
    Sie machte eine flüchtige Bewegung in Richtung des Gesellen und des Lehrjungen, die ebenfalls in ihrer Arbeit innegehalten hatten und die Besucherin angafften.
    »Ich möchte unter vier Augen mit Euch sprechen, Meister Ridgeway«, sagte Amoret in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    Alan nickte wieder und gab John und Tim Anweisung, Mistress Brewster in der Küche zu helfen. Während er die Lady beobachtete, die sich interessiert in seiner Werkstatt umsah, begann er sich auf einmal unwohl zu fühlen. Er begriff, dass ihr Besuch nicht ihrem Beichtvater galt, sondern ihm.
    Ohne ihn anzusehen, begann sie: »Als Pater Blackshaw mir sagte, dass er fortan unter Eurem Dach leben würde, habe ich Erkundigungen über Euch einholen lassen. Ich wollte wissen, wem er so

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