Die Richter des Königs (German Edition)
gutgläubig seine Sicherheit und sein Leben anvertraut.«
Während sie sprach, trat sie näher und blickte ihn schließlich herausfordernd an.
»Pater Blackshaw hat mir versichert, dass Ihr der römischen Kirche angehört. Aber das stimmt nicht. Ihr habt ihn getäuscht. Ihr seid kein Katholik! Ihr besucht den protestantischen Gottesdienst. Und Ihr habt sowohl den Suprematseid als auch den Treueid abgelegt.«
Sie belauerte ihn wie eine Katze. Es fiel Alan schwer, diesem eisigen Blick standzuhalten, doch er zwang sich dazu.
»Ich besuche den Gottesdienst der Staatskirche und nehme das Sakrament nach anglikanischem Ritus, weil es das Gesetz so vorschreibt«, verteidigte er sich gereizt. »Und ich habe beide Eide geschworen, weil man es von mir verlangte. Im Herzen aber bin ich Katholik und glaube an die Lehren der römischen Kirche. Und so gedenke ich auch zu sterben … Ja, ich bin das, was man einen Schismatiker, einen ›Kirchenpapisten‹, nennt. Aber Pater Blackshaw weiß das.«
»Ihr seid ein Heuchler!«, sagte Amoret abfällig.
»Mag sein. Aber meine Arbeit als Chirurg bedeutet mir mehr als alles andere. Ich würde jeden Eid schwören, um sie ausüben zu können. Und ich verbringe meine Zeit lieber damit, Menschen zu helfen, als um meines Glaubens willen im Kerker zu sitzen.«
Die Worte des Wundarztes klangen aufrichtig und beruhigten Amorets Misstrauen. Es ging ihr weniger um seine Glaubensfestigkeit als um seine Charakterstärke. Sie sorgte sich um Pater Blackshaws Sicherheit und wollte ihn in vertrauenswürdigen Händen wissen. Meister Ridgeway war ein Fremder für sie. Sie war gekommen, um sich eine Meinung über ihn zu bilden und gegebenenfalls dafür zu sorgen, dass er es nicht wagte, in einer Krise seinen Untermieter zu verraten. Was sie über ihn erfahren hatte, war ihr zunächst widersprüchlich erschienen. So undurchschaubar seine religiösen Überzeugungen waren, so glänzend präsentierte sich dagegen sein Ruf als Chirurg. Er erledigte seine Arbeit mit Hingabe und brachte es oft nicht übers Herz, einen Kranken abzuweisen, der nicht bezahlen konnte.
Die Erfahrungen ihrer Kindheit hatten Amoret davor bewahrt, den Standesdünkel des Adels anzunehmen, dem sie aufgrund ihrer Geburt angehörte. Nach dem Tod ihres Vaters, des Earl of Caversham, in der Schlacht von Worcester war sie Vollwaise geworden. Damals hatte sich der junge Feldscher Jeremy Blackshaw bereit erklärt, das zehnjährige Mädchen zu ihrer Familie nach Frankreich zu bringen. Er war der jüngere Sohn eines Landedelmanns, hatte aber während der Flucht zur Tarnung grobe Kleidung übergezogen. Zuerst war Amoret über den mangelnden Respekt des Bauerntölpels ihr gegenüber empört gewesen, doch bald hatte seine Intelligenz sie beeindruckt. Er hatte ihr die Arroganz und Geringschätzung ihres Standes ausgetrieben und sie gelehrt, einen Menschen nicht nach seinem Äußeren oder seiner Herkunft zu beurteilen, sondern in seine Seele zu sehen. Ihre spätere Erziehung im Kloster der Ursulinen in Poitiers während Vincent de Paul, den man das Gewissen des Königreichs nannte, dort noch wirkte, hatte diese Entwicklung schließlich vollendet. Er hatte den Adel zur Demut und Mildtätigkeit gegenüber den Armen angehalten, die er als Abbild des leidenden Christus bezeichnete. So waren auch die Klosterschülerinnen regelmäßig ins Spital gegangen, um die Kranken zu pflegen und ihnen die Füße zu waschen.
Mit ihrem hochmütigen Auftreten hatte Amoret Meister Ridgeway aus der Reserve locken wollen. Nun war sie zufrieden. Seine Verteidigung hatte nichts Kriecherisches an sich gehabt. Er ließ sich nicht leicht einschüchtern, und das gefiel ihr. Pater Blackshaw vertraute diesem Mann nicht zu Unrecht. Sie musterte ihn mit wachsendem Interesse. Er war um einiges größer als sie und sehr schlank. Seine langen Knochen ließen seine ganze Gestalt schlaksig erscheinen. Seine Schultern fielen ein wenig nach vorne, als verspüre er ständig den Drang, sich aufgrund seiner Größe zu anderen Menschen hinunterzubeugen. Seine Hände waren schmal und beweglich, wie geschaffen für sein schwieriges Handwerk. Amoret ertappte sich dabei, dass sie ihn mit den Augen einer Frau betrachtete, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihn sympathisch fand. Auf seinem ovalen Gesicht lag ein ernster Ausdruck. Seine tief liegenden Augen, deren ungewöhnliches Graublau an poliertes Blei erinnerte, und die schmalen Lippen verstärkten noch diese seltsame Melancholie,
Weitere Kostenlose Bücher