Die Richter des Königs (German Edition)
bekommt er die Peitsche zu schmecken.«
Jeremy gab dem Schließer das verlangte Geld. Kurz darauf erschien einer der Gefangenen, die den Wärtern assistierten. Mit seinem mitgebrachten Werkzeug schlug er Breandáns Ketten ab. Die Ringe hatten sich tief ins Fleisch gerieben und blutende Wunden hinterlassen. Bevor der Mann ihm leichtere Eisen anlegte, renkte Jeremy mit Alans Hilfe die ausgekugelte Schulter wieder ein. Der Ire schrie auf und kämpfte gegen eine Ohnmacht an, hielt sich aber trotzig aufrecht.
Jeremy und Alan halfen ihm auf die Beine und brachten ihn in eine höher gelegene Abteilung, die durch ein vergittertes Fenster wenigstens etwas Frischluft erhielt. Hier musste Breandán zwar ein Bett mit anderen teilen, aber er brauchte nicht mehr auf dem bloßen Steinboden zu liegen. Die leichteren Ketten an Händen und Füßen behinderten ihn nur wenig. Mit ihnen konnte er zumindest innerhalb des Gefängnisses umhergehen. Das neue Quartier war außer mit mehreren Betten auch mit ein paar klapprigen Schemeln möbliert. Im Kamin brannte ein Feuer.
Jeremy holte seine Salbe hervor und rieb die wund gescheuerten Hand- und Fußgelenke des Iren ein. Mit einem prüfenden Blick in sein ausgemergeltes Gesicht fragte er: »Wie lange hast du schon nichts mehr gegessen, mein Sohn?«
»Seit vier Tagen.«
»Dann lass uns in die Schenke gehen.«
Die schummrige Trinkstube wurde nur von einigen kümmerlichen Talglichtern erhellt. Die Atmosphäre war so ausgelassen, dass man nicht mehr das Gefühl hatte, sich in einem Gefängnis zu befinden. Es wurde gewürfelt und gezecht. Männer und Frauen verkehrten ungehindert miteinander. Ausgebuffte Gauner lehrten die Jüngeren die Kunst des Betrugs, des Taschendiebstahls und des Einbruchs. Andere unterwiesen Neuankömmlinge, wie man vor Gericht Zeugen ins Kreuzverhör nahm, oder vermittelten ihnen so genannte »Strohmänner«, die für ein Bestechungsgeld Falschaussagen machten. Sie hatten ihren Namen von den Strohhalmen, die sie als Zeichen ihrer Zunft in ihren Schuhschnallen trugen.
Jeremy bestellte Bier, das zwar verdünnt und überteuert war, aber wenigstens den Durst löschte, denn das ausgegebene Wasser war faulig und stank. Er hatte einen Teil des mitgebrachten Brotes zurückbehalten und gab es nun Breandán, der es gierig hinunterschlang.
»Warum bist du hier?«, fragte Jeremy schließlich.
Über das Gesicht des Iren fiel ein düsterer Schatten.
»Zum Henker, ich weiß es nicht! Vor drei Wochen waren plötzlich ein paar Männer hinter mir her. Sie tauchten in dem Unterschlupf in Whitefriars auf, wo ich manchmal übernachte, und verfolgten mich durch die Gassen. Ich hatte keine Ahnung, was sie wollten, deshalb gab ich Fersengeld. Aber sie jagten mich regelrecht in Grund und Boden und schleiften mich vor einen Friedensrichter. Der stellte mir Fragen zu einem Streit, den ich einige Tage vorher mit drei Männern hatte.«
»Was waren das für Männer?«
»Ich weiß nicht genau, Kaufleute oder etwas Ähnliches. Auf jeden Fall hatten sie Geld und trugen feine Kleidung. Einer hatte einen Degen mit einem aufwendig dekorierten Korb.«
»Weshalb hattest du Streit mit ihnen?«
»Ich traf sie eines Abends, als sie gerade eine Schenke verließen. Sie waren betrunken. Einer rempelte mich an, und ich sagte ihm die Meinung. Als sie erkannten, dass ich Ire war, begannen sie, mich zu beschimpfen.«
»Und anstatt wegzugehen und die Sache auf sich beruhen zu lassen, hast du es ihnen mit gleicher Münze heimgezahlt.«
»Sollte ich die Beleidigungen einfach hinnehmen?«, brauste der junge Mann auf. »Als sie bemerkten, dass ich mich nicht einschüchtern ließ, wurden sie noch gereizter. Schließlich griff einer von ihnen zu seinem Degen. Ich war unbewaffnet und fürchtete, sie könnten mich in ihrem Rausch einfach abstechen. Also kam ich ihnen zuvor. Ich schlug zwei der Burschen mit Fausthieben nieder, bevor sie ihre Waffe ziehen konnten. Der Dritte – er war älter als die anderen und hatte sich bisher zurückgehalten – ging mit gezückter Klinge auf mich los. Aber ich war schneller als er, packte seinen Arm und drehte ihn herum, bis er den Degen fallen ließ. Da die anderen beiden sich aber wieder aufrappelten, nahm ich seine Waffe, um sie mir vom Leib zu halten. Dann machte ich, dass ich fortkam. Erst als ich sicher war, dass sie mir nicht folgten, warf ich den Degen weg.«
»Und die Fragen des Friedensrichters, der dich verhörte, nahmen Bezug auf diesen Vorfall?«
»Ja, er
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