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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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obwohl er ein guter Reiter war, hatte er erhebliche Mühe, seinen Braunen ruhig zu halten. Der Hengst war Menschenmassen offenbar nicht gewöhnt und schien nur auf eine Gelegenheit zu warten, mit seinem Reiter durchzugehen. Insgeheim verfluchte der Richter seinen Stallknecht, weil dieser nichts Besseres aufgetrieben hatte. Es erforderte seine ganze Aufmerksamkeit, das nervöse Pferd zum Schritt zu zwingen. Ständig riss es erschrocken den Kopf hoch und versuchte zur Seite auszubrechen, doch Trelawneys Schenkel richteten es immer wieder gerade. Bald sammelte sich Schweiß unter der schwarzen Schabracke, die den Rücken des Braunen bedeckte, und weißer Schaum flockte von seinem Maul.
    Der neben Sir Orlando reitende Richter Twisden warf wiederholt beunruhigte Blicke auf das tänzelnde Pferd. »Ich bitte Euch, Bruder, kommt mir mit Eurem Gaul nicht zu nah!«, flehte Twisden. »Ihr wisst, dass ich kein guter Reiter bin. Und ich möchte heil in der Westminster Hall ankommen.«
    Jeremy streckte sich, um die sich nähernde Prozession besser ins Auge fassen zu können. In ihren langen Perücken und pelzbesetzten scharlachfarbenen Roben boten die Richter einen erhabenen Anblick. Als Jeremy Sir Orlando zwischen den anderen entdeckt hatte, hielt er nach den beiden Bengeln Ausschau, die den Reitern ebenfalls gespannt entgegensahen. Dann liefen sie der Prozession einige Yards voraus, um vor ihr auf die andere Straßenseite zu wechseln, die Seite, auf der Trelawney ritt.
    Beunruhigt machte Jeremy Alan auf das Manöver aufmerksam. »Seht Ihr die beiden Jungen? Sie haben irgendetwas vor!«
    Gemeinsam zwängten sich die Freunde durch die Menge, gefolgt von Gwyneth Bloundel. Doch die Menschen standen nun so dicht und weigerten sich hartnäckig, Platz zu machen, dass es ihnen nicht gelang, die Burschen zu erreichen, bevor die Prozession sich zwischen sie schob. Jeremys Blick wanderte von Trelawney zu den Jungen. Als sie mit dem Richter auf gleicher Höhe waren, hatte einer der Bengel plötzlich eine Steinschleuder in der Hand. Jeremy holte noch Luft, um Sir Orlando zu warnen, doch es war bereits zu spät.
    Von dem Geschoss getroffen, bäumte sich Trelawneys Pferd mit einem schrillen Schrei auf. Geistesgegenwärtig warf sich der Richter mit seinem ganzen Gewicht nach vorn, um es wieder zu Boden zu zwingen. Doch er hatte keine Kontrolle mehr über das verängstigte Tier. Es machte einen wilden Sprung zur Seite und prallte dabei gegen das Pferd von Richter Twisden, der erschrocken die Zügel fahren ließ und sich mit beiden Händen an den Sattel klammerte. Sein Reittier drehte sich um und schlug mit den Hinterhufen nach Trelawneys Pferd aus. Sir Orlando fühlte den Stoß, der den mächtigen Körper unter ihm erschütterte … wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke, abzuspringen, doch dazu kam er nicht mehr. Im nächsten Moment wurde er in einen wirbelnden Abgrund gerissen.
    Jeremy sah den Braunen stürzen und den Richter in einem wilden Durcheinander aufwallenden Staubs und zappelnder Pferdebeine verschwinden. Ein Schreckensschrei ging durch die Menge. Noch während der Jesuit sich rücksichtslos durch die Menschen drängte, rief er: »Alan, der Junge!«
    Ohne zu zögern, nahm der Wundarzt die Verfolgung des davonflitzenden Burschen auf.
    Einer der Zuschauer hatte die Zügel von Richter Twisdens Pferd gepackt und hielt es fest, während sein zitternder Reiter abstieg. Trelawneys Brauner kam mit schlagenden Hufen wieder auf die Beine.
    Energisch schob Jeremy die hilflos dastehenden Gardisten zur Seite und kniete sich neben den am Boden liegenden Richter. Sir Orlando hatte seine Perücke verloren. Sein Gesicht und seine Kleidung waren mit Schmutz bedeckt. Zuerst glaubte der Jesuit, er sei ohnmächtig, doch dann hörte er ihn stöhnen.
    »Mylord, seid Ihr in Ordnung?«
    Sir Orlando wandte überrascht den Kopf und blickte in das Gesicht des Mannes, der sich über ihn beugte. »Bei Christi Blut, was macht Ihr denn hier?«
    »Eigentlich kam ich her, um Euch vor Schaden zu bewahren. Leider ist das schwieriger, als ich dachte!«
    Trelawney versuchte sich auf seinen rechten Arm zu stützen, fiel aber sofort wieder mit einem schmerzvollen Ächzen zurück.
    »Bleibt ruhig liegen und lasst mich sehen, ob Ihr Euch etwas gebrochen habt«, bat Jeremy. »Mistress Bloundel, ich brauche mehr Platz!«
    Das ließ Gwyneth sich nicht zweimal sagen. Auf ihre resolute Art stieß sie die Gardisten an, die ihr am nächsten standen, und erinnerte sie an ihre

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