Die Riesen vom Hungerturm
sich auf ihn, den Mann mit dem Hut und Mantel eines Magiers, gestürzt, als sie seiner ansichtig wurden.
Luxon hatte ihnenwieder und wieder versichern müssen, daß er kein Magier war und ihnen nicht helfen konnte. Junan glaubte es ihm schließlich, und er sagte, welch ein großes Wunder es doch sei, daß die Riesen ihn nicht gleich auf der Stelle getötet hatten.
Denn nichts haßten sie so sehr wie die Weiße Magie.
Dies zu hören, war niederschmetternder für Luxon als das Elend, das er sehen mußte – schlimmer fast als der Gedanke an das Ende, das ihm zugedacht sein sollte.
Alamog mußte ganz genau gewußt haben, daß die Riesen alles Magische verabscheuten. Deshalb also hatte er Luxon Hut und Mantel gegeben – und deshalb sein überstürzter Aufbruch.
»Hörst du?« fragte Junan. Luxon schrak aus seinen finsteren Gedanken auf. Ohne es zu merken, hatte er die Hände zu Fäusten geballt und die Zähne aufeinandergepreßt, daß die Kiefer schmerzten. »Arruf?«
»Was… was ist?« fragte er.
»Wirst du ihnen geben, was sie verlangen?«
Er schwieg. Wieder fielen ihm Alamogs beschwörende Worte ein:
» Solltest du also in ihre Gefangenschaft geraten, so täusche sie mit falschen Pfändern! Mache sie glauben, daß sie genau das bekommen, was sie fordern! «
Aber konnte er dem Magier denn nun noch vertrauen? . Er hatte ihn zweifellos den Riesen in die Hände gespielt. Doch Luxon konnte und wollte nicht glauben, daß er seinen Tod wünschte. Er hatte ihn zwar nur »zufällig« vor Quidas Bösem Auge gerettet, doch wäre es ihm ein leichtes gewesen, ihn hilflos in der Düsterzone zurückzulassen.
Alamog mochte ein ausgekochter Halunke sein, aber kein Mann, der über Leichen ging. Luxon dachte daran, wie eilig er es gehabt hatte, nach Tupan zurückzukehren, und was von dieser Rückkehr für die Ays alles abhing.
War er schon in der Stadt und schickte ihm eine Kriegerschar zu Hilfe?
Die Halbverhungerten blickten ihn abwartend an. Luxon schüttelte den Kopf.
»Ich werde ihnen weder meine Augen, noch mein Herz oder meinen Arm als Pfand geben«, knurrte er. »Andererseits aber…«
Wozu sollte er ihnen Hoffnungen machen, wenn er nicht einmal selbst wußte, wie er Alamogs Worte zu deuten hatte? Er wußte nur eines: Er dachte nicht daran, hier wie sie auf das Ende zu warten, noch wollte er auf Hilfe aus Ayland bauen. Wenn die Ays die Macht hätten, die Riesen zu beseitigen, so hätten sie dies schon lange getan.
»Du schwankst«, sagte Junan. Er nahm den Arm einer Frau, deren Leib sich unter ihren Lumpen wölbte. »Sieh sie dir gut an. Ulana wird ein Kind haben. Ahok drängte sie, es ihm zu weihen. Dann wollte er ihr die Freiheit geben.« Seine Miene verfinsterte sich. »Sie zieht es vor, mit der Frucht ihres Leibes zu sterben, Arruf. Sie bat uns, sie zu töten, ehe sie das Kind gebären kann und Ahok es sich nimmt. Ich beschwöre dich, treibe keinen Handel mit der Finsternis! Leihe den Riesen deinen Arm, deine Augen und dein Herz. Du magst es bis an dein Lebensende in deiner Brust schlagen hören. Doch du hast es verkauft an die Mächte des Bösen!«
Betroffen blickte Luxon die Frau an. Sie wich seinem Blick aus. Trotz des kleinen Feuers war ihm plötzlich wieder bitterkalt.
»Laß mich nachdenken«, bat er den Alten. Und er zog sich zurück in die dunkelste, älteste und feuchteste Ecke des schrecklichen Gemäuers, hockte sich hin und starrte in die Glut.
Sein Erscheinen hatte den Verzweifelten für kurze Zeit eine schwache Hoffnung gegeben, etwas, worüber sie ihr grausames Los vergessen konnten. Nun weinten und klagten die Frauen wieder.
Auch wenn ich kein Magier bin! dachte Luxon grimmig. Auch wenn die Düsterzone mir meine Kräfte auszehrte und mir manches Mal den Glauben an mich selbst nahm – diese drei ungeschlachten Gesellen dort draußen werden nicht über mich triumphieren!
So brütete er den Rest der Nacht über. Und als der Morgen anbrach und sich der Spalt über dem Eingang als graues Viereck abzuzeichnen begann, glaubte er zu wissen, was Alamog mit seinem Ratschlag gemeint hatte.
*
»Hört mir zu«, flüsterte er, als sich die Verlorenen um ihn gesammelt hatten. »Wann werden die Riesen wiederkommen?«
»Es wird bald geschehen«, sagte Junan. Mißtrauisch und besorgt blickte er Luxon an. Das Feuer war längst erloschen. Feuchte Kälte zog den Ausgehungerten, Halbtoten in die Glieder. Frauen und Männer husteten. Einige hatten Fieber. Doch alle Augen waren jetzt auf Luxon
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