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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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stieß erleichtert die Luft aus. Zu gerne hätte er gewußt, was die Frau in den Linien seiner Hände gesehen hatte. Doch war dies nicht der Augenblick für derlei Fragen. Vielleicht ergab sich die Gelegenheit später.
    Jetzt, da die Mitgefangenen ihn ganz offensichtlich als ihren Führer betrachteten, kam ihm erst zu Bewußtsein, mit welchen Schwierigkeiten sein Vorhaben verknüpft war. Sich den Plan zurechtzulegen, war einfach gewesen. Doch woher genug Holz und Stroh nehmen? Woher die Masken?
    Das Glück, sein ständiger, doch unzuverlässiger Begleiter, stand ihm diesmal wieder zur Seite.
    Die Kräftigeren unter den Eingesperrten fanden Stroh und Hölzer im hinteren Teil des Turmes, und bald zeigte sich, daß der Boden, grub man ein, zwei Handbreit tief, lehmig genug war, um ihn zu formen.
    Junan und die Schwangere zeigten den anderen, wie sie ihre Attrappen herzustellen hatten. Luxon half ihnen nach Kräften dabei, bis er die Schritte der Riesen hörte.
    Bislang war alles kaum mehr als ein Gedankenspiel gewesen. Nun, da es ernst wurde, kamen ihm Zweifel. War es denn wirklich angebracht, auf die Dummheit der Riesen zu bauen? Würden sie nicht fragen, weshalb die ihnen als Pfand dargebotenen Arme kalt und hart waren und die Gesichter so grob und starr?
    Aber es gab kein Zurück mehr, keinen anderen Ausweg.
    Donnernd schlug von draußen eine Faust gegen das Tor.
    »Wer gibt mir seinen Arm als Pfand?« fragte Bened.
    »Wir alle!« rief Luxon.
    Bened murmelte etwas. Offenbar waren die Riesen eher bestürzt als angenehm überrascht über die plötzliche Bereitschaft ihrer Gefangenen, die Forderungen zu erfüllen.
    Doch ihre Gier nach Pfändern war größer als jedes Mißtrauen.
    »Will Augen!« rief Celen. »Wer leiht Augen?«
    »Wir alle!« rief Luxon.
    »Und wer leiht mir sein Herz?«
    »Ich, Ahok!« rief Luxon. »Ich nahm den anderen die Kraft ihrer Herzen. Komm und nimm du sie von mir! Aber laßt uns noch einen halben Tag Zeit, daß wir uns vorbereiten können!«
    Schon glaubte er, etwas Falsches gesagt zu haben. Junan stand ganz dicht bei ihm und sah ihn alarmiert an.
    Doch die Aussicht auf die Pfänder schien den Riesen wahrhaftig den letzten Rest ihres kümmerlichen Verstandes zu nehmen. Ahok, Celen und Bened willigten ein, dann wiederzukommen, wenn die Düsternis im Norden am weitesten aufriß – dann, wenn im Ayland die Mittagssonne am Himmel stand.
    Luxon wartete, bis sich ihre schweren Schritte wieder entfernt hatten. Dann nickte er Junan zu.
    »Weiter!« drängte er die Gefangenen. »Beeilt euch.«
    »Und du?« wollte der Alte wissen. »Was gedenkst du ihnen anstelle deines Herzens zu geben?«
    Luxon griff in die Tasche, in der er die Kräuter wußte, und erschrak.
    »He!« brüllte er und schlug gegen das Tor. »Aber bringt uns noch Wasser! Oder wollt ihr euch die Pfänder von Verdursteten holen?«
    Die Riesen hörten ihn noch. Wenig später wurde ein Gefäß mit klarem Quellwasser darin durch den Spinnenspalt herabgelassen. Luxon drückte dankbar Junans Hand.
    »Auch wenn du noch nichts begreifst, mein Freund. Du hast mir wohl gerade das Leben gerettet – zumindest das Herz.«
    Junan schüttelte nur das Haupt. Flugs machte sich Luxon daran, die Kräuter in wenig Wasser zu geben. Er ließ sie einweichen und stampfte sie mit der bloßen Faust, bis sich die Flüssigkeit dunkel färbte.
    Dann machte er sich daran, eine Maske und einen Holzarm für sich zu fertigen.
    Als alle Gefangenen das Benötigte für sich und die Bewegungsunfähigen zusammengebastelt hatten und das Warten auf die Riesen begann, kamen Luxon wieder die Zweifel. Er versuchte, sie zu verscheuchen. Doch je länger das bange Schweigen der Verzweifelten anhielt, desto größer wurde seine Unsicherheit.
    Durfte er sich auf die Wirkung des Zaubertranks verlassen? Wenn er nun etwas falsch gemacht hatte; wenn Alamog ihn doch betrogen hatte…
    Schleppend zogen sich die Augenblicke dahin. Und als die Erde wieder unter den Schritten der Riesen erzitterte, rann kalter Schweiß über Luxons Stirn. Seine Kehle war trocken. Sein Herz schlug heftig. Doch er durfte seine Furcht nicht zeigen.
    Der Riegel wurde zurückgezogen. Knarrend öffnete sich das Tor. Gegen die durchbrochene Düsternis zeichneten sich die Gestalten der Riesen ab, mächtig und drohend. Selbst in der Dunkelheit war ihre Gier zu erkennen.
    Die Gefangenen waren vorbereitet. Auf ihren Gesichtern saßen die Masken aus Lehm, in die dort, wo sich die Augen befanden, kleine glitzernde Steine

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