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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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gerichtet.
    »Dann hört, was ich euch sage. Wir alle werden den Riesen zum Schein das geben, was sie verlangen. Wir…«
    »Nein!«
    Jene Frau, die ihrer Niederkunft entgegensah, sprang auf und streckte abwehrend die Hände von sich. Sie schrie und schluchzte, schalt Luxon einen Dämonenknecht und bedachte ihn mit weiteren unschönen Worten. Sie bebte am ganzen Leib. Luxon sah sie nur als dunklen Schemen gegen den von fahlem, düsteren Licht erfüllten Hintergrund. Er stieß Junan an und flüsterte:
    »So habt doch Vertrauen und hört mich erst an! Geh hin und beruhige sie!«
    »Woher soll ich dieses Vertrauen nehmen, wenn du so redest?« fragte der Alte. »Eher will mich dünken, daß sie recht hat, sich von dir abzuwenden.«
    »Niemand wird ihr ihr Kind nehmen! Sie wird es behalten und in ihren Armen wiegen können, ohne jeden Makel, der auf ihr und ihm lastet, wenn ihr mich nur anhört!«
    Der Alte zögerte. Dann ging er auf die Rasende zu und redete leise auf sie ein. Luxon lief zur Tür und legte sein Ohr ans Holz. Noch war nichts von den Riesen zu hören. Aber standen sie nicht schon vor dem Turm und ergötzten sich an den Qualen ihrer Gefangenen?
    Er kehrte zurück, als er sah, daß sich Junan und die Frau wieder setzten.
    »Hat dein Kind einen Vater?« fragte er leise. »Ich meine, lebt er noch?«
    Sie gab keine Antwort. Junan nickte.
    »Du wirst ihm sein Kind zum Geschenk machen können«, flüsterte Luxon ihr zu, »wenn ihr auf mich hört. Du wirst den Anfang machen. Forme aus Stroh und Lumpen eine Puppe und gib diese Ahok als dein Kind. Ihr anderen, fertigt euch Masken und sagt, dies sei euer Gesicht. Bildet aus Stöcken, Stroh und Lumpen einen Arm und sagt, dies sei eurer. Und wenn Ahok eure Herzen als Pfand haben will, sagt ihr ihm, daß ihr mir, dem Magier, eure Lebenskraft übertragen habt und er mein Herz für eure Herzen nehmen soll. Wir geben ihnen Nachbildungen, die sie in ihrer Einfältigkeit kaum als solche erkennen werden.«
    Junan schüttelte sein greises Haupt.
    »Das hört sich gut an, mein Freund. Doch unterschätze die Riesen nicht. Sie mögen mit körperlichen Makeln behaftet sein. Doch Ahok und Bened werden den Schwindel auf Anhieb durchschauen. Ihr Geist ist wach.«
    »Das bezweifle ich. Denkt daran, was sie von euch fordern und was sie mit dem Erhaltenen eurer Ansicht nach tun müssen. Vergeßt nicht, wie lange schon sie keine neuen Pfänder mehr bekamen. Die Dämonen aber fordern ihren Tribut. Ich könnte mir gar vorstellen, daß die Riesen so in den Dienst der Bösen Mächte gezwungen wurden – indem die Dämonen jedem von ihnen etwas nahmen. Sie nahmen Bened die Kraft des linken Armes. Celen wurde das Augenlicht weitgehend geraubt und Ahok der Schlag seines Herzens. Ich sage euch, sie zehren sie aus. Schon jetzt sind sie alle drei nicht mehr ganz bei Sinnen. Ich kämpfte gegen sie.« Luxon lächelte. »Das heißt, ich floh und teilte einiges dabei aus. Sie sind dumm und blind.«
    Junan brachte weitere Einwände vor. In einigen Augen glomm die Hoffnung nun stärker. Andere Gefangene hatten ganz offensichtlich größere Angst vor den Riesen als vor dem Hungertod. Für Luxon aber stand fest, daß er nicht allein um seine Freiheit kämpfen wollte. Wenn sein Plan gelingen sollte, sollten sie alle, die nun um ihn herumsaßen, mit ihm in die Freiheit gehen.
    So fand er auf jede Frage eine Antwort, und es war gerade so, als gäbe sie ihm jemand ein, der seine Hand schützend über ihn hielt. Luxon redete auf die Mitgefangenen ein, gab ihnen Hoffnung, und schließlich sagte Junan:
    »So sei es, wie du sagst, Freund Arruf. Du hast ehrliche, gute Augen. Ich will dir vertrauen.«
    Ehrliche Augen! Luxon dachte an gewisse Unternehmungen in seiner Vergangenheit und mußte ein Schmunzeln unterdrücken.
    Der Reihe nach sah er die anderen an. Zögernd gesellten sich zwei, drei Ausgehungerte zu Junan. Als die Reihe an der schwangeren Frau war, bat sie Luxon, die Innenflächen seiner Hände sehen zu dürfen.
    Lange vertiefte sie sich in das Netz der feinen Linien, fuhr sie mit dem Finger nach und schien für lange Atemzüge wie in eine andere Welt entrückt.
    Dann sah sie ihn an. Die Blicke ihrer Augen verschmolzen miteinander.
    »Wenn es einen Menschen gibt, der uns hier herausführen kann, so ist er es«, flüsterte sie wie zu sich selbst. »Verzeih mir, Arruf. Verzeih uns allen.«
    Damit begab sie sich zu Junan. Die restlichen Gefangenen, soweit sie in der Lage dazu waren, folgten ihr.
    Luxon

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