Die Riesen von Ganymed
sagte Caldwell. »Mit diesem ZORAC-Apparat und all den Konferenzen und Diskussionen, welche die Ganymeder im Augenblick überall führen, bekommen wir mehr an Informationen herein, als wir verdauen können. Wenn sich erst einmal die ganze Aufregung gelegt haben wird, werden wir wie Wahnsinnige schaffen müssen, um alles aufzuarbeiten. Als Sie die Koordinationsarbeiten im Projekt Charlie geleitet haben, haben Sie ein sehr gutes Informationssystem zu dem größten Teil der führenden wissenschaftlichen Institutionen und Einrichtungen auf der ganzen Welt aufgebaut. Ich möchte, daß Sie sich all dieser Kanäle wieder bedienen, um damit zu beginnen, alle Neuigkeiten abzuschätzen und zu katalogisieren. Besonders interessant sind dabei die Dinge, die für die UNWO nützlich sein könnten – zum Beispiel die Sache mit der Gravitation. Es kann sein, daß wir eine Menge unserer Forschungsvorhaben im Lichte dieser Neuigkeiten, die uns die großen Kerle an die Hand gegeben haben, revidieren müssen. Und jetzt scheint mir die beste Zeit dafür gegeben zu sein.«
»Die Gruppe bleibt also noch eine Zeitlang bestehen«, vermutete Hunt und bezog sich dabei auf das Team, das er während der lunarischen Untersuchungen geleitet hatte und das unter der Aufsicht seines Stellvertreters die Arbeiten fortgeführt hatte, hauptsächlich, um in der Zeit seines Aufenthaltes auf Ganymed die noch ungelösten Einzelfragen zu klären.
»Jawoll«, sagte Caldwell und nickte. »Die Art, wie sie arbeiten, ist genau das richtige für die Aufgabe. Haben Sie sie denn überhaupt schon begrüßt?«
Hunt schüttelte mit dem Kopf.
»Bin erst heute morgen zurückgekommen und gleich zu Ihnen geeilt.«
»Na, dann tun Sie’s mal«, sagte Caldwell. »Ich könnte mir vorstellen, daß hier ’ne ganze Menge alter Freunde von Ihnen herumhängen, die Sie wiedersehen wollen. Nehmen Sie sich den Rest der Woche Zeit, um sich wieder zurechtzufinden. Und dann setzen Sie sich am kommenden Montag an die Arbeit, die ich Ihnen gerade beschrieben habe. Einverstanden?«
»Einverstanden. Zuallererst suche ich mal die Gruppe auf und versuche, ihnen einen Eindruck von den neuen Aufgaben zu vermitteln. Ich glaube, daß sie davon begeistert sein werden. Wer weiß … vielleicht haben sie bis zum Montag die Hälfte bereits für mich organisiert, wenn sie sich jetzt schon Gedanken darüber machen.« Er richtete seine Augen fragend auf Caldwell. »Dafür bezahlen Sie mich doch, oder?«
»Ich bezahle Sie für Ihr kluges Köpfchen«, grunzte Caldwell.
»Was Sie gerade sagten, nennt man ›delegieren‹. Wenn Sie delegieren wollen, nenne ich das ›sein kluges Köpfchen einsetzen‹. Machen Sie, was Ihnen richtig erscheint.«
Hunt verbrachte den Rest des Tages mit seiner alten Gruppe und machte sich mit einigen Aspekten ihrer vorangeschrittenen Arbeit vertraut – sie hatten während der ganzen Zeit übrigens nahezu tagtäglich wegen allgemeiner Probleme in Kontakt miteinander gestanden – und vermittelte ihnen seinen neusten Arbeitsauftrag von Caldwell. Danach war an kein Fortkommen mehr zu denken. Stundenlang fragten sie ihn nach jedem Informationsschnipselchen aus, das er über ganymedische Wissenschaftstheorie und Technologie behalten hatte, ließen ihn sogar beim Lunch nicht zur Ruhe kommen und kitzelten eine Zusicherung aus ihm heraus, die besagte, daß er sich um das Erscheinen eines oder gar zweier ganymedischer Wissenschaftler kümmern werde, die ihnen auf einem intensiv angelegten Teach-in Rede und Antwort stehen sollten. Wenigstens würde er mit seinen Leuten dort keinerlei Motivationsschwierigkeiten bekommen, dachte er bei sich, als er sich um neun Uhr abends auf den Heimweg machte.
Am nächsten Morgen versuchte er jedoch, den Teil des Gebäudes des Navkomm-Hauptquartiers zu meiden, das seine Arbeitsräume enthielt. Statt dessen rief er zuallererst einen weiteren alten Freund an – Don Maddson, den Chef der Linguistikabteilung. Dons Team hatte in Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten und Forschungsinstituten überall auf der Welt die wichtigste Rolle bei der lunarischen Saga gespielt, indem es das Rätsel der lunarischen Sprache entwirrte. Zunächst waren dabei die Aufzeichnungen verwendet worden, die unter den Besitztümern Charlies gefunden wurden, und später eine Ansammlung von Mikrofilmen, die in der Nähe des Kraters Tycho aufgetaucht waren. Ohne die Übersetzungen wäre nicht einmal die logische Schlußfolgerung möglich gewesen, daß Lunarier und
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