Die Ringe der Macht
verstehen.
So verließen sie das Laboratorium und wanderten auf der Suche nach einem Schlafplatz durch die Gänge, bis sie endlich wieder an eine Wegekreuzung gelangten.
Dort gab es die erhoffte Möglichkeit zu übernachten. Eine alte Wachstube, die sogar noch mit Etagenbetten ausgestattet war und Raum für ein Dutzend Zwerge bot, war ein Ort, wie Fabian ihn sich gewünscht hatte.
Marina bereitete aus Gregorins Vorräten ein karges Abendessen, das die Gefährten mehr oder minder schweigend einnahmen. Der Marsch unter dem Berg hatte sie müde gemacht, und ihnen war nicht nach Unterhaltung zumute, sodass sie sich bald darauf für die Nacht rüsteten. Das entstellte Wesen aus dem Brutofen, das sich zuckend auf dem Boden wand, stand allen noch zu deutlich vor Augen. Und wenn sie die Augen schlossen, pochte ein Widerhall des Tons, der den Bann des alten Zaubers gebrochen hatte, hinter ihren Schläfen.
»Wer übernimmt die erste Wache?«, wollte Kim wissen.
»Gregorin«, sagte Fabian.
Gwrgi wollte sich wie in der vorigen Nacht dazugesellen, aber Kim brannte darauf, mehr über das zu erfahren, was er in Fetzen und Bruchstücken gelesen hatte; daher sagte er zu dem Sumpfling, er solle sich hinlegen und ihm die Wache mit dem Zwerg überlassen. Wenn einer etwas darüber wusste, was sich hier zugetragen hatte, dann war es der Alte. Zudem war Kims Misstrauen dem Zwerg gegenüber zurückgekehrt, und er gedachte, ihn wieder genauer im Auge zu behalten. Gregorin mochte ihnen das Leben gerettet haben, aber er hatte von Anfang an seine eigenen Absichten verfolgt. Vielleicht war jetzt die Gelegenheit, den Hebel anzusetzen, um wenigstens ein kleines Loch in den Panzer zu brechen, der sein Geheimnis umgab.
»Lass man, Kim«, brummte Burin. »Es ist besser, wenn ich mit Meister Gregorin auf Wache gehe.«
Kim schaute tief in die Augen des Freundes. Er erkannte die unausgesprochene Bitte im Blick des Zwergen und nickte.
»Gut«, sagte Fabian. »Macht, wie ihr das wollt.«
Dann kehrte Ruhe ein im Lager. Draußen vor der Wachstube saßen schweigend die Zwerge. Kim lag noch wach, da sein Schädel immer noch brummte, und lauschte dem gleichmäßigen Atem der Gefährten.
Das dumpfe Dröhnen der Trommeln war nicht mehr verstummt, seit sie das Laboratorium verlassen hatten, und hallte durch die Gänge und die Kammer wie der Rhythmus eines Totentanzes.
Langsam dämmerte endlich auch Kim in den Schlaf hinüber, als er plötzlich gedämpfte Stimmen hörte; aber er war nicht mehr wach genug, um dem Gespräch folgen zu können. Nur einige Wortfetzen sickerten in sein Ohr, fast übertönt vom Trommelschlag. Jetzt sprach Burin, doch Kim konnte nur am Tonfall der Stimme hören, dass er Gregorin etwas fragte. Der Ffolksmann versuchte gegen den Schlaf anzukämpfen, um die Antwort zu verstehen, aber sein Kopf wurde immer schwerer.
»… die alte Schande unseres Volkes, sie ist noch gewärtig hier in Zarakthrôr …«, konnte Kim die Stimme Gregorins vernehmen, und aus ihr meinte er Leid und Schuldgefühl herauszuhören. Dann sank Kim wieder tiefer in den Schlaf, weil Gregorin eine Pause machte, hörte aber noch, wie der alte Zwerg fortfuhr: »Meine Brüder und ich haben versucht, jeder auf seine Weise, die Schmach zu tilgen …« Dann verschwand die Stimme Gregorins wieder hinter dem Trommelschlag. »Aber es scheint nicht …«
Trotz aller Gegenwehr wurde Kims Müdigkeit schließlich doch übermächtig; ja, es schien ihm, als zöge ihn etwas in diesen Schlaf hinein, etwas, das seine Kräfte überstieg, und so ergab er sich am Ende.
Die Träume kamen unaufgefordert. Ein Teil von Kim bemühte sich, den Träumen zu folgen, auf dass er sie nach dem Erwachen nicht wieder vergessen würde.
Ein Wald tut sich auf, ein Wald, wie er ihn noch nie gesehen hat. Die Bäume ragen hoch in den Himmel. Hufgetrappel in der Ferne; er kann aber nicht erkennen, woher die Laute stammen. Dann kommt es immer näher, und er sieht Reiter in rasendem Galopp vorbeipreschen.
Sein Blick folgt den rasenden Reitern. Er holt sie ein und sieht sie von der Seite. Den Gestalten nach sind es Elben, die einem unbekannten Ziel entgegenreiten, und ihre Pferde dabei nicht schonen. Gewaltig sind ihre Schritte. Es erscheint dem Träumer, als wäre ihm die Gestalt eines Reiters seltsam vertraut.
Gilfalas? Nein, das kann nicht sein. Gilfalas ist tot, gefallen im Kampf gegen die Schattenhunde.
Kurz wurden die Bilder der reitenden Elben aus dem Traum des Ffolksmanns verdrängt, und die
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