Die Ringe der Macht
Blick war voller Mitleid. Dieses Wesen war vom ersten Moment seiner Existenz an nicht lebensfähig gewesen.
»Ja«, sagte Burin nur. »Es musste wohl sein.«
Marina nahm von den herumliegenden Pergamenten und deckte das tote Wesen notdürftig zu, damit ihnen sein Anblick erspart blieb.
»Keiner berührt einen dieser Hebel«, sagte Fabian streng, als er sich zusammen mit Burin wieder der Tür zuwandte. »Ich will nicht, dass sich so etwas noch mal wiederholt.«
»Ich wollt nich’ …«, begann Gwrgi.
»Keiner macht dir einen Vorwurf, aber jetzt wissen wir, dass wir die Hebel und Schalter meiden müssen«, sagte Kim. »Wer weiß, was diese Maschine sonst noch ausspuckt.«
Gwrgi sagte nichts.
Kim wollte sich schon abwenden, als der Sumpfling die Augen rollte, sie verdrehte und zuckend und krampfend zusammenbrach.
Alle stürzten sie herbei, Gregorin, Fabian, Burin und Marina, und versuchten, Gwrgi, der sich in seiner Ekstase wild hin und her warf, zu bändigen.
»’ssss war’n … die D-d-dunklen … «, brabbelte er. Sein Atem ging keuchend, seine Stimme war voller Angst. Es folgten ein paar unverständliche Worte, die er in einer unbekannten Sprache hervorstieß. Was dann kam, entsetzte sie alle zutiefst. »… von der annnderen Seiite des Meeeres …« , quoll es aus dem Sumpfling hervor. Und dann, ganz deutlich: »Die Schöpfer!« Weitere unverständliche Sätze und wildes Gebrabbel folgten. Dann bäumte sich Gwrgi ein letztes Mal auf und blieb ruhig liegen.
»Die Dunklen von der anderen Seite des Meeres?«, brachte Kim die Satzfetzen der Vision des Sumpflings zusammen.
»Das sind die Dunkelelben!«, sagte Burin.
»Er nennt sie die Schöpfer?«, fragte Fabian. »Oder wie sollen wir das verstehen? Und was hat das zu tun mit Zarakthrôr und mit diesem … diesem Ding hier?«
»Es scheint unser Schicksal zu sein, auf alle Fragen nur eine Antwort zu haben, für die uns unsere Professoren das Fell über die Ohren gezogen hätten: Unzureichende Quellenlage.«
Fabian versuchte es probeweise mit Fluchen.
»Das wird allmählich zur schlechten Angewohnheit«, sagte Burin. »Du wirst es dir wieder abgewöhnen oder dich als Hafenarbeiter oder Fuhrknecht verdingen müssen.«
»Wir müssen hier weg«, stellte Fabian fest. »Auf, Burin. Sehen wir zu, dass wir hier rauskommen.«
Das Trommeln, das durch den Raum hallte, begleitete die Arbeit der beiden. Kim konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann das Pochen und Dröhnen wieder eingesetzt hatte. Die Erkenntnis entsetzte ihn; war er dabei, den Verstand zu verlieren? Als sie den Raum betreten hatten, da hatten die Trommeln noch geschwiegen. Über dem Lärm und Getöse der Brutstätte, dem Schrecken, der darauf folgte, hatte keiner mehr darauf geachtet, was rings um sie vorging. Hatten die Echos aus der Tiefe das Wesen ins Leben begleitet? Waren sie als Warnung gedacht oder als Fluch? Kim hatte das Schweigen der Trommeln als Zeichen genommen; jetzt fragte sich, was schlimmer sein mochte, das Dröhnen aus der Tiefe oder die Stille, die ihn und seine Gefährten zu Handlungen trieb, deren Folgen keiner vorhersehen konnte.
Gwrgi erwachte wieder, und auch diesmal verrieten die Freunde ihm nichts von seinen Visionen. Alle waren stillschweigend übereingekommen, ihren Gefährten in dem Glauben zu lassen, er sei einfach ohnmächtig geworden. Anscheinend suchte der Sumpfling selbst nach keiner Erklärung.
Von der Tür kam das Klingen von Burins Axt, der mit aller Kraft auf die Tür einhämmerte. Doch er hätte genauso gut auf eine dicke Stahlplatte einschlagen können. Denn das Eisenholz der Zwerge, vor uralten Zeiten nach einem längst vergessenen Verfahren veredelt, war dazu geschaffen, eine Ewigkeit zu überdauern, und selbst Burins Axt, gehärtet und geschliffen in den Werkstätten der Zwerge von Yngladân, vermochte nicht mehr als seine Oberfläche zu ritzen.
Erschöpft ließ der Zwerg schließlich die Waffe sinken. Schweiß rann ihm von der Stirn und perlte von seinen Unterarmen.
»Soll ich weitermachen?«, fragte Fabian, doch Burin winkte nur müde ab.
»Es hat keinen Zweck«, sagte er nur. »Das ist Zwergenwerk …«
»… und Zwergenwerk ist für die Ewigkeit!«, quäkte Gwrgi dazwischen. Alle sahen ihn an, aber der Sumpfling hob nur entschuldigend die Schultern, soweit es die Kiemen an seinem nahezu halslosen Kopf erlaubten.
Aber Kim war nicht nach Lachen zumute. Die Trommeln, dachte er. Sie haben uns in die Falle geführt, und es gibt kein Entrinnen. Sollte
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